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Eine Bilderbuch-Karriere: hat der neue Vorstandschef der Deutschen Bank hinter sich: Christian Sewing begann beim größten Geldhaus Deutschlands als Lehrling.

Foto: AP / Arne Dedert

Frankfurt – Als Aufsichtsratschef Paul Achleitner dem nun scheidenden John Cryan vor einem Jahr zwei Stellvertreter an die Seite stellte, war klar, dass die Tage des Briten an der Spitze der Deutschen Bank gezählt sind. Sonntagabend stellte das Aufsichtsgremium in einer Telefonkonferenz die Weichen für den Machtwechsel, später wurde die Entscheidung offiziell bestätigt: Der für das Privatkundengeschäft zuständige Christian Sewing wird ab Mai Vorstandschef. Der unterlegene zweite Kronprinz, der für Investmentbanking zuständige Marcus Schenck, wird das Geldhaus verlassen.

Erstmals seit Langzeit-Bankchef Rolf Breuer, der sich vor Gericht jahrelang mit dem Kirch-Medienimperium duellierte, sitzt damit wieder ein Manager in der Topetage der Frankfurter Zwillingstürme, der das Geldhaus von Beginn seiner Karriere an kennt. Für Sewing zweifellos die Krönung seiner Laufbahn, die vor drei Jahrzehnten als Lehrling in Bielefeld begann. Der 47-Jährige wird Chef von knapp 100.000 Bankern auf dem Schleudersitz in den Doppeltürmen, auf dem Vor-Vorgänger Josef Ackermann gethront hatte. Der als bodenständig, aber kühl beschriebene Westfale steht vor einer Herkulesaufgabe. Er soll das einstige Vorzeigeinstitut, dem zumindest im prestigeträchtigen Investmentbanking die Konkurrenz längst enteilt ist, wieder auf Vordermann bringen. Drei Jahre lang schrieb die Deutsche Bank rote Zahlen.

Da war es nur mehr einer

"Ich habe meine Karriere nie geplant", sagte Sewing im Vorjahr in einem Interview. Damals war der FC-Bayern-München- und Vfl-Osnabrück-Fan gerade zusammen mit Marcus Schenck zum Co-Chef der Deutschen Bank aufgestiegen. Nun hat den ehemaligen Goldman-Sachs-Banker Schenck, der wegen der gemeinsamen Vergangenheit bei der US-Investmentbank lange als Ziehsohn von Aufsichtsratschef Paul Achleitner galt, im Rennen um die Cryan-Nachfolge ausgestochen. Finanzchef James von Moltke wiederum hatte sich vor einigen Wochen mit Aussagen in einer Bankenkonferenz, die den Aktienkurs abstürzen ließen, keine Freunde gemacht.

Nach diversen Absagen externer Banker blieb nur mehr Sewing, der fast sein ganzes Berufsleben bei der Deutschen Bank verbrachte: 1989 begann er seine Ausbildung zum Bankkaufmann in einer Bielefelder Filiale und blieb dem Institut auch nach dem berufsbegleitenden Studium an der Bankakademie Bielefeld und Hamburg treu. Bis auf ein zweijähriges Zwischenspiel von 2005 bis 2007 als Vorstand der DG Hyp, der Immobilienbank der genossenschaftlichen Institute, arbeitete er stets für die Deutsche Bank.

Im Dienste der Bank

Auslandserfahrung sammelte der Vater von vier Kindern an Standorten wie Singapur, Toronto, Tokio und London. Sewing erklomm die Karriereleiter im Risikomanagement und der internen Revision. Dadurch hatte er auch Einblick ins Investmentbanking, das der Deutschen Bank nicht nur jahrelang Milliardengewinne einbrachte, sondern auch zahlreiche milliardenschwere Skandale. Anfang 2015 stieg der passionierte Tennisspieler zunächst als Rechtsvorstand in das Führungsgremium auf, bevor er im Sommer 2015 zum Privatkundenchef ernannt wurde.

Unter Sewings Führung schloss die Deutsche Bank fast 200 Filialen und strich Tausende Jobs. Er ließ nie Zweifel daran dass auch die Wiedereingliederung der Postbank viele Arbeitsplätze kosten wird. Anfang 2017 hatte das größte deutsche Geldhaus seine Verkaufspläne für die Bonner Tochter begraben. Ein neuer Riese im Privat- und Firmenkundengeschäft mit rund 20 Millionen Kunden soll entstehen. Mit Spannung wird nun erwartet, ob Sewing nun auch bei der Investmentbank den Rotstift ansetzt.

Achleitner hat sich mit der Entscheidung am Sonntagabend eine Atempause verschafft und Kritikern den Wind aus den Segeln genommen. Einige Großaktionäre hatten ihn scharf Kritisiert, weil wochenlang nichts von ihm zu hören war. Er trage Mitverantwortung für strategische Fehlentscheidungen, schließlich stehe dem Deutsche-Bank-Aufsichtsrat seit 2012 vor. Eine Mehrheit unter den Aktionären für eine Ablösung von Achleitner müsse er dennoch nicht fürchten, sagt sogar ein Kritiker. Er wurde erst im vergangenen Jahr für fünf Jahre wiedergewählt.

Sewing pendelt am Wochenende zu seiner Familie, die in Osnabrück lebt. (Luise Ungerboeck, 8.4.2018)