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Foto: reuters/szabo

Den Sieg des Rechtspopulisten Viktor Orbán bei der ungarischen Parlamentswahl hatte man erwartet. Am Ende fiel er aber weitaus deutlicher aus, als es die meisten Prognosen erahnen ließen. Mit 48,5 Prozent der Stimmen kann Orbáns Fidesz-Partei derzeit mit 133 Mandaten rechnen. Bliebe es dabei, wäre es sogar wieder eine knappe Zweidrittelmehrheit. Allerdings werden die Stimmen von 270.000 Bürgern, die nicht an ihrem Wohnort gewählt haben, erst unter der Woche ausgezählt.

Die Prognosen sahen auch nicht voraus, dass Orbán bei einer ungewöhnlich hohen Wahlbeteiligung von fast 70 Prozent zusätzliche Wähler gewinnen wird. Die gängige Ansicht war, dass gesteigerte Wähleraktivität in erster Linie der Opposition zugutekommen würde. Orbán, so hieß es, habe mit seinem monothematischen Sermon von den Migranten, die Terrorismus, Sozialschmarotzertum und Islamisierung einschleppen würden, den Plafond mobilisierbarer Wähler erreicht.

Hoffnungen der Opposition

Die heterogene Opposition, die von der sozialdemokratischen MSZP bis zur rechtsradikalen Jobbik reicht, war etwas besser aufgestellt als vor vier Jahren. Der Sieg des unabhängigen Fidesz-Kritkers Péter Márki-Zay bei der Bürgermeisterwahl in der Fidesz-Hochburg Hódmezővásárhely hatte im Februar große Hoffnungen geweckt. Punktuell kam es zu Absprachen über die Wahl in den Direktwahlkreisen, in denen die Mandate nach dem Mehrheitsprinzip vergeben werden. Trotzdem fehlte es an einer Botschaft, die verständlich gemacht hätte, was die Opposition nach einer Abwahl Orbáns mit dem Land zu tun gedächte.

Dennoch: Selbst eine ideale Opposition agiert im "illiberalen Staat", wie ihn Orbán 2014 ausgerufen hat, wie in einer Blase ohne Sauerstoff, wie in einem Hamsterrad, in dem man keinen Fuß auf den Boden bekommt. Das Wahlrecht ist auf die Bedürfnisse der Fidesz, das "zentrale Kraftfeld" des Staates, zugeschnitten. Die reichweitenstarken Medien stehen bis in die kleinste Sprachregelung unter der Leitung von Orbáns Propagandateam. Die Wahlkampfmaschine arbeitet mit Datensammlungen, die Facebook und Cambridge Analytica zu Ehren gereichen würden. Ein Heer von Aktivistentrollen flutet die Social Media mit zentral vorgekauten Fake-News und Hasspostings. Leider muss man sagen: Die systematische Gehirnwäsche funktioniert zumindest bei signifikanten Teilen der Gesellschaft und schlägt sich in solchen Wahlergebnissen nieder.

Vergeltung oder Rache

Die Ankündigungen autoritärer Populisten sind unbedingt ernst zu nehmen. Im Wahlkampf drohte Orbán den politisch unbotmäßigen Bürgern "Genugtuung" an, was im Kontext so viel heißt wie Vergeltung oder Rache. Nach dem deutlichen Wahlsieg wird sich der "Viktator", wie ihn seine Gegner nennen, der Liquidierung der letzten Inseln von Freiheitlichkeit und Widerborstigkeit in seinem Land widmen: der noch vorhandenen unabhängigen Medien, der noch relativ unabhängigen Gerichtsbarkeit, der vom US-Milliardär George Soros gegründeten Budapester Central European University, der NGOs, die laut Orbán "2.000 Soros-Söldner" in Ungarn beschäftigen. Noch in der Wahlnacht bekräftigte Regierungssprecher Zoltán Kovács: "Wer sich (von diesen NGOs) in die Politik einmischt, wird zugesperrt."

Der "illiberale Staat" lässt sich nicht so einfach abwählen. Demokratische Mechanismen greifen da kaum mehr. Autokratische Gebilde dieser Art kollabieren irgendwann – an ihren inneren Widersprüchen oder weil sie nicht mehr in ihre Umgebung passen oder wegen einer Kombination dieser Faktoren. Wann das eintritt, ist unvorhersehbar. Bis dahin werden die Ungarn mit dem Orbán-Staat leben müssen. (Gregor Mayer, 9.4.2018)