Der 4.000 Jahre alte Schädel aus dem Grab von Djehutynakht.

Foto: Marcus Cyron [cc;3.0;by]

Boston – Archäologen stießen im Jahr 1915 in der ägyptischen Nekropole Dair al-Berscha auf ein 4.000 Jahre altes Grabmal, das schon in der Antike geplündert worden war. Die Grabräuber hatten Goldschätze geraubt und Feuer gelegt, aber längst nicht alles mitgenommen: Neben zahlreichen Artefakten, darunter Figuren und Modellboote, fanden sich auch zwei prachtvoll bemalte Sarkophage, die weitgehend erhalten geblieben sind. Auf einem davon lag der abgetrennte Kopf einer Mumie. Wem er einst gehörte, war unklar.

Inschriften im Grab offenbarten zwar, dass es der Familie eines Regionalgouverneurs namens Djehutynakht aus dem Mittleren Reich zuzurechnen ist. War der Schädel aber seiner oder der seiner Frau, deren Bestattung ebenfalls erwähnt wird? Die beiden unvollständigen, stark beschädigten Mumien in den Sarkophagen erlaubten keine eindeutige Zuordnung, und fehlende Gesichtsknochen des abgetrennten Schädels verunmöglichten, auf ein Geschlecht zu schließen. 1921 wurden die Funde in das Museum of Fine Arts in Boston verbracht – das Rätsel blieb ungelöst.

Very Cold Case

Als der Fall im Rahmen einer Ausstellung 2009 wieder neue Aufmerksamkeit erregte, versuchten Forscher, mithilfe genetischer Methoden Licht in dieses jahrtausendealte Dunkel zu bringen – vergeblich: Das Erbgut der uralten Überreste war in zu kleine Fragmente zerfallen, um mit damaligen Methoden DNA für Analysen gewinnen zu können. "Zu der Zeit gab es noch keine erfolgreiche Extraktion von Erbgut aus so alten Mumien", sagte Rita Freed, Kuratorin des Museums, zur "New York Times".

Doch die Genetik hat sich seither rasant weiterentwickelt. Erst im Vorjahr legten Forscher die erste umfassende Genomanalyse von Bewohnern des Alten Ägyptens vor. Nun ist es einem Forensikerteam um Odile Loreille von der US-Sicherheitsbehörde Federal Bureau of Investigation (FBI) gelungen, mithilfe modernster DNA-Analysemethoden dem Mysterium des Schädels von Dair al-Berscha auf den Grund zu gehen.

Informativer Backenzahn

Aus der Probe eines Backenzahns konnten sie zunächst mitochondriale DNA gewinnen. In weiteren DNA-Analysen konnten sie den Schädel dann eindeutig einem Mann zuordnen, wie sie im Fachblatt "Genes" berichten. Sie kommen in weiteren Untersuchungen der Überreste und der historischen Dokumentation zu dem Schluss, dass der Kopf von einem der beiden ursprünglich Bestatteten und nicht von einer dritten Person stammt. Darauf würde eine ganze Reihe von Merkmalen hindeuten, heißt es in der Studie.

Loreille und Kollegen nehmen daher an, dass es sich um den Schädel des Gouverneurs Djehutynakht handelt: "Ich war sehr überrascht, dass die Zuordnung klappte", sagte Loreille über den für die FBI-Forensiker eher ungewöhnlichen Fall. "Wir hatten Glück." (red, 9.4.2018)