Jena/Wien – "Out of Africa" ist ein berühmter Roman der dänischen Schriftstellerin Karen Blixen, der auch als Film zum Welterfolg wurde. Der Romantitel (deutsch "Jenseits von Afrika") machte ab Mitte der 1980er-Jahre auch in der Wissenschaft groß Karriere: In der Paläoanthropologie bezeichnet er die Annahme, dass die Gattung Homo wie auch der moderne Mensch (Homo sapiens) ihren Ursprung in Afrika hatten und von dort aus die Welt eroberten.

Während Homo erectus vor rund 1,7 Millionen Jahren nach Eurasien gelangte, war das beim sehr viel jüngeren Homo sapiens naturgemäß sehr viel später. Bis vor kurzem ging man davon aus, dass der moderne Mensch vor rund 170.000 Jahren von Ostafrika aus seine Reise antrat und erste Vertreter vor 90.000 bis 130.000 Jahren über die Gegend des heutigen Israel nach Norden vorstießen. Eine zweite, erfolgreichere Ausreisewelle hat es dann über die gleiche Route vor 65.000 Jahren gegeben.

Das einigermaßen aktuelle Bild der frühen Migrationen von Homo sapiens
Illustration: katerina douka and michelle o'reilly

Veränderte Datierungen

In jüngster Zeit hat sich an dieser Sichtweise freilich einiges geändert: Die Neuinterpretation fossiler Knochen, die in Marokko gefunden wurden, legt nahe, dass es Homo sapiens vermutlich bereits vor 280.000 bis 350.000 Jahren in Nordwestafrika gegeben haben dürfte. Und ein Fund in Israel deutet darauf hin, dass der Exodus des modernen Menschen womöglich schon vor mehr als 170.000 Jahren über die Levante erfolgte.

Bereits etwas länger ist bekannt, dass es auch noch eine zweite Route gegeben haben muss, die frühe moderne Menschen entlang der Südküste der Arabischen Halbinsel in Richtung Asien gebracht hat. Doch das waren allem Anschein nach nicht die einzigen beiden Wege, die den modernen Menschen in den Nahen und Mittleren Osten führten, wie ein spektakulärer Fund menschlichen Fingerknochen aus Al Wusta im heutigen Saudi-Arabien zeigt.

Die beiden breiten Korridore, die aus Afrika herausführen.
Foto: inset image map data, nature

Älteste Menschenknochen Arabiens

Der Fundort liegt in der Wüste Nefud im nordwestlichen Teil der Arabischen Halbinsel und ist heute eine der trockeneren Gegenden der Erde. Früher einmal sah es dort aber ganz anders aus: Al Wusta war ein See, in dem es auch Flusspferde gab.

So sieht die einst fruchtbare Gegend rund um den Fundort heute aus.
Foto: Klint Janulis

Doch Forscher um Huw Groucutt (Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte und der Uni Oxford) entdeckten bei ihren Ausgrabungen nicht nur tierische, sondern auch menschliche Überreste, konkret: die ältesten, die je auf der Arabischen Halbinsel gefunden wurden.

Diese Fingerknochen sind 85.000 Jahre alt und werfen neues Licht auf den Exodus aus Afrika.
Foto: Ian Cartwright

Wie die Forscher im Fachblatt "Nature Ecology and Evolution" berichten, gehörten die Fingerknochen eindeutig einem modernen Menschen. Und mittels einer neuen Datierungsmethode, bei der geringste Spuren radioaktiver Elemente verglichen werden, ermittelten die Forscher ein Alter von rund 85.000 Jahren.

Mehr Routen, mehr Migrationen

Was bedeutet der Fund nun für den Auszug der Menschen aus Afrika? Zum einen dürfte es mehr Wege nach Eurasien gegeben haben als bisher angenommen. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Arabische Halbinsel vor 100.000 Jahren viel weniger trocken war als heute, wie die Forschungen von Groucutt und Kollegen deutlich machen. Zum anderen dürfte es nicht nur zwei Auswanderungswellen gegeben haben, sondern eher permanente Migration. (Klaus Taschwer, 9.4.2018)