Heinz Hollerweger, in höheren Audi-Diensten bis 2016.

Foto: Audi

Hollerweger ist eine lebende Sammelung an besonderen Autogeschichten.

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Wien – Jedes Auto hat seine Geschichte, seine Geschichten. Eine zum A8, mit dem Audi der Durchbruch in die Eliteliga gelang – ein Argument war dabei die Alu-Spaceframe-Karosserie -, geht so. Der Serienalauf-Termin in Neckarsulm 1994 war längst fixiert, da traten Probleme auf, im April, 14 Tage vor Produktionsstart. Plumm. Plumm. Und plumm. Da man mit der Winterfahrerprobung nicht ganz fertig geworden war, fuhr man in Schweden auf Schotter noch ein wenig weiter, um die geforderten Kilometer zusammenzukriegen. Und da geschah es: ein ungewollter Airbagauslöser nach dem andern. Alarm bei Audi. Was war da los?!

Ein Linzer in Ingolstadt

Der aus Linz stammende Heinz Hollerweger hatte gerade in Ingolstadt eine Abteilung, die sich Fahrzeuganalyse nannte, als Leiter übernommen. Entwicklungsvorstand war Franz-Josef Paefgen, Audi-Chef Herbert Demel. Donnerstagmittag musste Hollerweger mit all den großen Bereichsleitern bei Paefgen antanzen.

Was tun? Ratlosigkeit. "Wenn der Paefgen nervös geworden ist, hat er immer seine Augenbrauen gezupft", erinnert sich Hollerweger, launig wie immer, im Gespräch mit dem Standard. Um es abzukürzen: Er erbte das Himmelfahrtskommando. "Pass auf Hollerweger, jetzt sage ich dir was. Du bist erstens die nächsten drei Tage mir persönlich unterstellt. Das Zweite: Du kriegst von mir alles, was du willst. Personal, Mannschaft, Flieger. Ich unterschreibe alles persönlich. Aber Montag, acht Uhr, ist Serienanlauf, und zwar ohne Airbagauslösung. Wie du das machst, ist mir wurscht, am Montagfrüh muss das Ding fertig sein."

Teamteilung

Na bumm. Nach der ersten Schockstarre aktivierte er seine Truppe. Ein Teil flog sogleich mit einem Konzernflieger zur Analyse nach Schweden, der andere versuchte, diese daheim auf Schotterpiste nachzustellen. Samstagmittag wollte er aufgeben – aber am Abend meinten die Jungs aus dem Norden, alle Autos mit Airbagauslösung hätten an jenem Querträger, der im A8 relativ spät zur Stabilisierung eingebaut werden musste, einen Steinschlag. Der entscheidende Hinweis. Hollerweger: "Wir sind dann mit einem Impuls auf den Querträger gegangen. Am Airbagsteuergerät sah das Signal, dieser Schwingungseintrag, genau so aus wie ein beginnender Crash."

Sonntags acht, neun Uhr abends, Anruf Paefgen. "Hollerweger, wie schaut' s aus?" "Ja, ich glaube, wir haben jetzt eine Lösung. Aber ob wir die Teile bis morgen früh kriegen ..." – "Ah, gar kein Problem, ruf den Versuchsbau in Neckarsulm an." Er rief also an, der dortige Leiter meinte: "Komm sofort rüber aus Ingolstadt, nimm das Teil mit, wir machen über Nacht 100 Satz." Und weiter? "Mitternacht war ich in Neckarsulm, um Viertel nach zwölf war die ganze Mannschaft da, die warfen die Fräsen an, und um sechs Uhr früh haben wir Vollzug gemeldet." Um acht lief die Produktion wie vorgesehen an, mit den Teilen frisch von der Fräse runter. "Das werde ich nie vergessen." (Andreas Stockinger, 12.4.2018)