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Fluggäste müssen sich am Dienstag in München gedulden: Mehr als die Hälfte aller Flüge startet verspätet oder gar nicht.

Foto: Reuters / KAI PFAFFENBACH

Berlin – Massive Warnstreiks im öffentlichen Dienst haben am Dienstag in Deutschland Teile des Flugverkehrs zum Erliegen gebracht und den Alltag vieler Menschen behindert. Hunderte Flüge wurden annulliert, auch der städtische Nahverkehr, Kindergärten, Kliniken, Verwaltungen und Hallenbäder waren vielerorts betroffen. Laut der Gewerkschaft Verdi streikten mehr als 60.000 Beschäftigte in acht Bundesländern.

Am Mittwoch gehen die Arbeitsniederlegungen in zahlreichen Bundesländern weiter, Flughäfen sollen aber vorerst nicht mehr bestreikt werden. Wenn es nächste Woche keine Einigung im Tarifstreit gibt, will Verdi die Streiks massiv ausweiten.

Der Flughafen Köln-Bonn stellte am Dienstagmorgen den Luftverkehr stundenlang komplett ein, weil die Flughafenfeuerwehr die Arbeit niederlegte. An den ebenfalls bestreikten Airports Frankfurt, München und Bremen wurden Hunderte Flüge gestrichen, so dass es in der Folge auch in Berlin und Leipzig/Halle zu Ausfällen kam. Reisende mussten sich den ganzen Tag auf erhebliche Verspätungen einstellen. Auch zehn Flüge von Lufthansa und Austrian (AUA) zwischen Wien und Frankfurt wurden gestrichen, dazu kamen jeweils ein Hinflug und ein Rückflug zwischen Salzburg, Graz und Innsbruck und dem deutschen Drehkreuz.

Druck

Mit den Warnstreiks will die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft kurz vor der dritten Tarifrunde für die Beschäftigten der Kommunen und des Bundes den Druck erhöhen. Die voraussichtliche Abschlussrunde startet am 15. April in Potsdam und soll Anfang bis Mitte der Woche dort enden. Erwartet wird als Verhandlungsführer Innenminister Horst Seehofer (CSU). Der Bund und der kommunale Arbeitgeberverband VKA haben bisher kein Angebot vorgelegt. Flughäfen sind betroffen, weil hier auch nach Privatisierungen noch zahlreiche Kommunalbeschäftigte unter anderem beim Gepäck und bei Personenkontrollen arbeiten.

Verdi und der Beamtenbund dbb, der auch Angestellte vertritt, fordern für bundesweit rund 2,3 Millionen Staatsbeschäftigte sechs Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske sagte: "Bislang blockieren und mauern die Arbeitgeber. Es gibt nach zwei Verhandlungsrunden noch kein Angebot. Diese Mauer wollen wir durchbrechen."

Angesprochen auf gestrandete Fluggäste sagte Bsirske auf dem Flughafen Frankfurt: "Nicht schön, aber angesichts des Vorlaufs glaube ich, dass das hinzunehmen ist. Denn wenn diese Verhandlungen nächste Woche zu keinem vernünftigen Ergebnis führen, dann werden wir noch mit Eskalationen ganz anderen Ausmaßes rechnen müssen." Er setze aber darauf, dass nun Kompromissmöglichkeiten ausgelotet werden.

Angesichts der Auswirkungen der Warnstreiks forderte der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann Einschnitte beim Streikrecht. "Die aktuellen Flughafenstreiks treffen vor allem unbeteiligte Fluggesellschaften und ihre Gäste anstatt die Tarifgegner der Gewerkschaften", sagte er dem "Handelsblatt".

Kritik

Natürlich müssten Streiks wehtun, aber sie müssten ebenso verhältnismäßig sein, so Linnemann, der für die Einführung verbindlicher Vorwarnzeiten plädierte, um die Auswirkungen für Dritte zumindest zu lindern. In anderen europäischen Ländern gebe es eine Ankündigungspflicht von bis zu zehn Tagen. Verdi hatte die Warnstreiks an vier deutschen Flughäfen am Montag angekündigt.

Auch der Flughafenverband ADV kritisierte das Vorgehen scharf. "Ein sogenannter Warnstreik, der gleich zu wirtschaftlichen Millionenschäden bei Airlines und Flughäfen, langen Wartezeiten und massiven Flugausfällen führt, lässt jede Verhältnismäßigkeit vermissen", sagte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

Insgesamt rechnete der Flughafenbetreiber Fraport in Frankfurt für Dienstag mit insgesamt fast 660 Ausfällen bei Starts und Landungen. Das betreffe rund 74.400 Reisende. Ohne Warnstreik wären sonst gut 1.400 Flugzeuge planmäßig an Deutschlands größtem Flughafen gestartet oder gelandet. Allein die Lufthansa strich in Frankfurt und an den anderen ebenfalls bestreikten Airports zusammen über 800 Verbindungen. Reisende standen ratlos vor den Anzeigetafeln.

240 In- und Auslandsflüge gestrichen

Vom Flughafen München aus strich die Lufthansa nach Angaben einer Sprecherin im Voraus 240 Inlands- und Auslandsflüge. Auf dem Flughafen Köln/Bonn waren wegen des Warnstreiks der Feuerwehr bis zum späten Vormittag stundenlang keine Starts und Landungen möglich. Planmäßig standen in diesen drei Stunden 47 Passagierflüge auf dem Programm – 22 Starts und 25 Landungen. In Köln sowie in etlichen Städten im Ruhrgebiet wurden kommunale Verkehrsbetriebe bestreikt, darunter in den Großstädten Dortmund, Duisburg und Essen. Nach Verdi-Angaben wurden in Nordrhein-Westfalen neben dem Nahverkehr alle kommunalen Betriebe sowie zahlreiche Bundeseinrichtungen bestreikt.

Ab diesem Mittwoch bis Freitag sind regional unterschiedlich weitere Arbeitsniederlegungen geplant. So soll in Baden-Württemberg neben Kitas und Kliniken in einzelnen Städten auch der kommunale Nahverkehr bestreikt werden. Ausstände soll es auch in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geben.

In Mannheim und Ludwigshafen sind Kundgebungen geplant, in Wiesbaden und Südhessen werden Einrichtungen des Gesundheitswesens betroffen sein. In Nürnberg wollen mehrere Tausend Beschäftigte ihren Unmut über die Arbeitgeber deutlich machen. Auch für Brandenburg sind Warnstreiks angekündigt, etwa bei den Stadtverwaltung in Frankfurt/Oder und Neuruppin. Am Donnerstag soll ein ganztägiger Streik den öffentlichen Nahverkehr in Hannover zum Erliegen bringen.

Bei der französischen Fluggesellschaft Air France fiel unabhängig von den deutschen Warnstreiks ein Viertel der Flüge aus. Air France befindet sich seit sieben Wochen in einem Arbeitskampf mit den Gewerkschaften. Am Mittwoch sollen deshalb erneut rund 30 Prozent aller Flüge ausfallen. Auch für den 17. und 18. April sowie für den 23. und 24. April haben die Gewerkschaften zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Sie fordern ebenfalls sechs Prozent mehr Geld für die Beschäftigten. (Reuters, 10.4.2018)