Straßburg/Warschau – Mit der monatelangen Zwangsunterbringung einer Familie in einem umzäunten Zentrum für Migranten hat Polen deren Menschenrechte verletzt. Die Behörden hätten damit gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens verstoßen, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am Dienstag. Polen muss der russischen Familie nun 12.000 Euro Entschädigung zahlen.

Die Kläger hatten 2012 erfolglos Asyl beantragt und waren nach dem negativen Bescheid nach Deutschland geflohen. Deutsche Behörden schoben die Mutter und ihre drei Kinder zurück nach Polen ab, der Vater blieb in Deutschland in einem Krankenhaus. Von Jänner bis Juni 2014 wurden Mutter und Kinder in dem Zentrum festgehalten, das mit stacheldrahtbewehrten Mauern laut dem Gericht einer Haftanstalt ähnelt. Der Vater stieß im Februar dazu. Schließlich ließen die polnischen Behörden die Familie gehen. Sie lebt mittlerweile in Herne in Deutschland.

Polen habe keine Gründe genannt, die das mehr als fünf Monate lange Festhalten der russischen Asylbewerber hätte rechtfertigen können, heißt es in der Urteilsbegründung. Außerdem hätten die Behörden es verabsäumt, andere Maßnahmen als die Unterbringung in dem Zentrum ins Auge zu fassen. Die Prüfung erneuter Asylanträge der Familie habe zu lange gedauert – besonders angesichts der Tatsache, dass währenddessen Kinder festgehalten wurden. (APA, 10.4.2018)