Chemie war vielleicht nicht für alle ein Lieblingsfach in der Schule. Obwohl es da doch auch interessante Alltagsgeschichten gegeben hätte. Etwa die der nützlichen Tenside, die zwei Enden haben: Eines, das Fett liebt, das andere das Wasser. Die beiden hängen sehr stark aneinander, gerade das macht sie als Putztrupp unschlagbar. Tenside sind Reinigungsmittel. Während sich das eine Ende an öligen Schmutz klammert, sorgt der andere Part dafür, dass alles weggespült werden kann.
"Seit Jahrtausenden wurde dafür die Rinde des Seifenbaums benutzt", erläutert Chemiker Erich Leitner, Berater von "Kosmetik transparent", einer Branchenplattform zur Konsumenteninformation. Die in der Rinde enthaltenen Saponine schäumen, und "deshalb hat sich in den Köpfen der Menschen der Konnex zwischen Sauberkeit und Schaum festgesetzt", erklärt er. Doch in Wirklichkeit macht gar nicht der Schaum sauber. Tenside gebe es auch in anderen chemischen Aggregatszuständen, ganz unschaumig. Sie würden auch sauber machen, doch das Waschen mit Schaum hat eine wichtige psychologische Komponente. Und darum ginge es schließlich.
Eine kleine Renaissance
Schäume erleben in der Kosmetik gerade eine kleine Renaissance, besonders in der Gesichtsreinigung. Wenn man die Körperhygieneindustrie als Spiel der Texturen begreifen will, tut sich derzeit allerlei Aufregendes. Im Mai wird Kanebo mit Pulver gefüllte Kapseln auf den Markt bringen, die sauberkeitsliebenden Konsumentinnen große Freude bereiten werden. Das Refreshing Powder Wash ist ein Puder, das mit einem Pinsel zu Schlagobers ähnlicher Konsistenz aufgeschäumt wird. Damit wird auch aus der kleinsten verstopften Pore der Dreck rausgezogen.
Für Problemhaut (Unreinheiten) hat Skinceuticals ein Produkt mit extrem milden flüssigen Tensiden entwickelt, ebenso die schwedische Kosmetikserie Estelle & Thild (bei Marionnaud), deren Cleansing biozertifiziert ist.
Das Traumschaumprinzip lässt sich nicht nur manuell, sondern auch physikalisch erzeugen: im Duschpflegesektor. Beim niederländischen Kosmetikriesen Rituals drückt man sich beim Duschen den Schaum aus einer Aluflasche auf die Haut (und rutscht mit den nassen Händen leider manchmal von der glatten Dose ab), Biotherm hat die Oberfläche seiner Dose deshalb leicht aufgeraut – eine Schaumparty in beiden Fällen.
Apropos Behälter: Es gibt zwei Möglichkeiten der Schaumerzeugung aus der Flasche – einerseits durch Treibgas: "FCKW wurde 1991 aus Umweltschutzgründen verboten, seither wird CO2 oder Stickstoff verwendet", erklärt Chemiker Josef Wendrinsky, Geschäftsführer der Gesellschaft österreichischer Chemiker. Die andere Möglichkeit der Aufschäumung basiert auf Pumpspendern, die die Tenside einfach mit Luft aufblasen. Der Schaum sei dadurch ein bisschen weniger dick. Er vergleicht das Prinzip mit dem Zubereiten eines Omeletts aus Eischnee. Je feiner aufgespalten, umso luftiger wird es, bei Tensiden sei das fast gleich.
Für die Haare
Aus Sicht der Chemiker ist Schaum aber weit über die Reinigung hinaus attraktiv. Abgesehen davon, dass Schaum Feuer löschen kann, ist er vor allem als Haarpflegemittel relevant. "Schaum ist ein luftiges, fröhliches Transportmittel", bringt es Erich Leitner auf den Punkt. Damit lässt sich etwa Keratin zur Verstärkung dünner Haare gut verteilen: bei Marlies Möller oder Shu Uemura.
Schaum, das weiß jeder, fällt nach einer Weile in sich zusammen und verschwindet wieder. Man sieht es im Waschbecken. Wenn der Schaum geht, bleiben die Tenside unschön kleben. Auch das ist Chemie. (Karin Pollack, RONDO, 14.5.2018)
Kanebo Refreshing Powder Wash (36,30 Euro)
Biotherm Bath Therapy Foam (10 Euro)
Marlies Möller Liquid Hair Keratin Mousse (28 Euro)
Juvena Clarifying Cleansing Foam (19,90 Euro)
Estelle & Thild Bio Cleanse 3-in-1 Foam (22,50 Euro)
Skinceuticals Soothing Cleanser Foam (33 Euro)
Shu Uemura Ample Angora (33 Euro)
Rituals Namasté Velvety Cleansing Foam (12,50 Euro)