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Arabische Touristen sind im Sarajevo-Resort eines kuwaitischen Investors meist nur in den Sommermonaten zu sehen.

Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Er soll in Wien zum Islamisten geworden sein. Am Dienstag verhaftete die bosnische Sonderpolizei Sipa zwei Terrorverdächtige, darunter Maksim B. In Sarajevo wurden Medienberichten zufolge auch zahlreiche Waffen, darunter sieben Handgranaten und Flaggen der Terrororganisation Islamischer Staat gefunden und beschlagnahmt. B. soll im Jahr 2008 nach einer Haftstrafe aus Österreich ausgewiesen worden sein. In Österreich soll der 28-jährige mit Mevlid J. in Haft gewesen sein, jenem Mann, der 2011 auf die amerikanische Botschaft in Sarajevo schoss. B. war bereits 2010 einmal verhaftet worden, weil er einen Anschlag in Tuzla geplant haben soll.

Die radikalen Gruppen sind klein, aber sie fallen auf. Die hanafitische Islamische Gemeinschaft – die in Bosnien-Herzegowina seit der österreichisch-ungarischen Zeit wie eine Kirche aufgebaut ist – bekommt in Bosnien-Herzegowina nicht nur Konkurrenz durch Salafisten und populäre Youtube-Prediger ohne theologisches Fundament, sondern auch durch andere islamische Strömungen wie Millî Görüş, iranische Schiiten oder die türkischen Süleymancis.

70 Prozent wollen Para-Dschemats schließen

Die allermeisten Bosnier lehnen diese Gruppen aber ab. Laut einer Umfrage des Center for Insights in Survey Research befürworten sogar mehr als 70 Prozent, dass Para-Dschemats, also Gemeinschaften, die nicht zur offiziellen Islamischen Gemeinschaft gehören, zugesperrt werden. Wenn es um die Zustimmung zum säkularen Staat geht, dann ist diese bei allen drei großen Volksgruppen (Bosniaken, Serben, Kroaten) etwa gleich groß, die absolute Zustimmung für den Säkularismus ist aber bei den Bosniaken, also den Muslimen, am stärksten ausgeprägt. Sie sind insgesamt am prowestlichsten ausgerichtet.

Für Verunsicherung sorgen bei den Bosniern aber trotzdem Investitionen aus arabischen Staaten und der zunehmende Tourismus aus dem arabischen Raum. Man fürchtet, dass mit dem arabischen Geld auch der der Einfluss des Salafismus wachsen könnte. Der STANDARD hat einen Blick in die Statistik geworfen: Laut der bosnischen Zentralbank lag im Jahr 2014 an erster Stelle der Auslandsinvestoren in Bosnien-Herzegowina Russland, an zweiter Stelle Österreich und an dritter Stelle Kroatien. Kuwait kam an fünfter Stelle mit umgerechnet 24 Millionen Euro, die Arabischen Emirate mit 12,3 Millionen Euro an neunter Stelle – andere arabische Staaten kamen nicht unter die ersten zehn Plätze.

Kroatien ist Auslandsinvestor Nummer eins

Im Jahr 2015 lag Kroatien an erster Stelle, gefolgt von den Niederlanden und Italien. Die Türkei lag an fünfter Stelle mit 28,6 Millionen Euro, und Kuwait kam an achter Stelle mit 15,6 Millionen Euro. Andere arabischen Staaten kamen auch im Jahr 2015 nicht unter die ersten zehn Plätze. Im Jahr 2016 lag wieder Kroatien an erster Stelle der Auslandsinvestoren, gefolgt von Österreich und danach den Vereinigten Arabischen Emiraten mit 33,7 Millionen Euro. Saudi-Arabien kam an achter Stelle mit 17,1 Millionen Euro, die Türkei an neunter Stelle mit 15,4 Millionen Euro und Kuwait an zehnter Stelle mit 15 Millionen Euro.

Anhand dieser Zahlen ist zu erkennen, dass es im Jahr 2016 zu einem Anstieg der Investitionen aus den Arabischen Emiraten kam. Die Zahlen für das Jahr 2017 sind noch nicht publiziert. Bisher liegt in den ersten drei Quartalen die Schweiz bei den Investoren an erster Stelle. Der bosnischen Zentralbank zufolge investierten die arabischen Staaten in erster Linie in Immobilien und Unterkünfte, aber auch in Finanzdienstleistungen. Jedenfalls sind die Investitionen aus der EU höher als jene aus den arabischen Staaten. Im Jahr 2016 lagen sie bei 227,6 Millionen Euro, jene der arabischen Staaten inklusive der Türkei lagen im gleichen Zeitraum bei 81,2 Millionen Euro.

Größtes Projekt steht seit Jahren still

In den vergangenen Jahren entstanden einige Feriensiedlungen für Touristen. Etwa das Sarajevo-Resort des kuwaitischen Investors Jasem Ahmed Al Kanderi für 1.125 Personen. Doch Touristen sind praktisch nur in den Sommermonaten in den kleinen weißen Häuschen rund um den künstlichen See zu sehen. Die größte geplante Anlage – ein Projekt für zwei Milliarden Euro in Trnovo 30 Kilometer außerhalb von Sarajevo – ist über die Grundsteinlegung seit Jahren nicht hinausgekommen.

Die ganze Aufregung über die "arabische Touristenstadt" war also offenbar unbegründet. Laut der Investitionsagentur von Bosnien-Herzegowina (Fipa) ist der Projektbetreiber aus den Vereinigten Arabischen Emiraten noch immer dabei, seine Firma in Bosnien-Herzegowina "vorzuregistrieren". Dies gehe allerdings nur langsam vor sich. "Wenn er das Projekt aufgibt, werden die zuständigen Institutionen neue Investoren zu suchen", so die Fipa zum STANDARD. Man rechnet offenbar mit dem Rückzug des Investors.

Sorge wegen wahhabitischer Touristenführer

Trotz wochenlanger Recherchen bei zahlreichen Behörden ist es in Bosnien-Herzegowina nicht möglich herauszufinden, wie viele Immobilien bisher von arabischen Staatsbürgern gekauft wurden – das hat damit zu tun, dass weder die Grundbuchämter noch die Steuerbehörden Statistiken führen, denen die Staatsbürgerschaften zugrunde liegen. Der STANDARD hat auch Ministerien in einigen Kantonen im Landesteil Föderation angeschrieben, um herauszufinden, wie Touristenführer ausgewählt und kontrolliert werden.

Denn in den vergangenen Jahren haben zahlreiche bosnische Wahhabiten – Männer in kurzen Hosen mit langen Bärten ohne Oberlippenbart – arabische Touristen durchs Land geführt und als Fahrer oder als Gastgeber gearbeitet. Dies nährte Ängste, dass diese bosnischen Salafisten durch die arabischen Touristen viel Geld verdienen und für die Ausbreitung ihrer Ideologie nutzen könnten.

Die bosnischen Sicherheitsbehörden haben die Botschaften der Golfstaaten deshalb aufgefordert, die arabischen Touristen aus diesen Ländern zu instruieren, keine bosnischen Salafisten als Fahrer, Touristenführer oder Bodyguards anzuheuern. Doch oft wissen die arabischen Touristen gar nicht, wer ein bosnischer Salafist ist und wer nicht. Einige beschwerten sich allerdings darüber, dass die Salafisten sie davon abhalten wollten, die Freiheiten in Europa zu genießen – etwa Alkohol zu trinken.

Salafistischer Diskurs durch Einheimische

Die meisten angeschriebenen Ministerien der Kantone in der Föderation antworteten auf die Anfragen des STANDARD nicht. Eine positive Ausnahme war das Tourismusministerium des Kantons Herzegowina-Neretva. Touristenführer müssen eine Prüfung ablegen, zurzeit gebe es 142 solcher Touristenführer im Kanton, allerdings keinen einzigen, der Arabisch als Sprache angegeben hatte, die er als Touristenführer sprechen würde. Laut dem Ministerium müssten Leute, die keine Erlaubnis haben und trotzdem Touristen führen würden, umgerechnet 51 bis 510 Euro Strafe zahlen. Bisher hätten aber die Inspektionen keine solchen illegalen Touristenführer gefunden.

Der Islamwissenschafter Nedim Begović von der Islamischen Fakultät in Sarajevo sieht keinen Einfluss von salafistischer Seite durch arabischen Touristen in Bosnien-Herzegowina. "Der salafistische Diskurs wird von bosnischen Muslimen produziert, die im Ausland studiert haben, aber nicht von Ausländern", sagt er zum STANDARD.

Vorgehen gegen Takfir-Praxis

Die Islamische Glaubensgemeinschaft von Bosnien-Herzegowina hat in den vergangenen Jahren viel unternommen, um die Imame zu trainieren, gefährliche Interpretationen und Ideologien zu erkennen und dagegenzusteuern. Kürzlich wurde ein Buch herausgebracht, um etwa der Takfir-Praxis – jemanden als Ungläubigen zu deklarieren – zu entgegnen. Die Islamische Gemeinschaft (IG) bestellt alle Imame im Land – die meisten werden an der Islamischen Fakultät in Bosnien ausgebildet. Freitagspredigten von Imamen, die kein Zertifikat der IG haben, gelten als ungültig.

Es wird auch dafür gesorgt, dass bosnische Theologiestudenten nicht in Saudi-Arabien studieren, um den Einfluss aus dem arabischen Raum zu begrenzen. Seit mindestens zehn Jahren werden keine Moscheen mehr vom Staat Saudi-Arabien gesponsert. Nach dem Krieg wurden insgesamt drei mit saudischen Geldern, drei mit Geldern aus den Arabischen Emiraten und zwei mit Geldern aus Kuwait gebaut.

Vorwürfe gegen österreichische Behörden

Die Zentrale der Vorreiter der Salafisten sei in Österreich, betont man in Bosnien-Herzegowina seit Jahren. Man versteht hier nicht, weshalb die österreichischen Behörden nicht stärker dagegen vorgingen. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 11.4.2018)