Damaskus/Den Haag – Die Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) wird in Kürze Experten in die syrische Stadt Duma (Douma) schicken, um dort einen möglichen Angriff mit Chemiewaffen zu untersuchen. Das teilte die OPCW am Dienstag in Den Haag mit. Wann das Team abreisen wird, wurde nicht mitgeteilt. Die Bitte sei zeitlich mit einer Anfrage Syriens und Russlands nach Entsendung von Experten zusammengefallen.

Seit dem mutmaßlichen Angriff hätten die Experten bereits Informationen gesammelt und analysiert, teilte die OPCW mit. Nun sollte ein spezielles Ermittlerteam an Ort und Stelle in Duma die Vorwürfe untersuchen.

Die OPCW hatte am Dienstag die syrische Regierung gebeten, die notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz der Experten zu schaffen. Am Nachmittag berichtete die syrische Nachrichtenagentur Sana, Präsident Bashar al-Assad habe die OPCW in das Land eingeladen.

60 Tote

Während der Westen Russland und Syrien für den mutmaßlichen Angriff verantwortlich machen, bestreitet Russland, dass es einen Giftgasangriff auf die Rebellenhochburg Duma gab. Bei dem Angriff starben nach Angaben von Zeugen und Hilfskräften am Samstag 60 Menschen, rund 1.000 Personen wurden verletzt.

US-Präsident Donald Trump sagte wegen der jüngsten Ereignisse in Syrien am Dienstag eine geplante Reise nach Südamerika ab. Trump bleibe in den Vereinigten Staaten, um sich um die Reaktion der USA auf den mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien zu kümmern, teilte seine Sprecherin Sarah Sanders mit. Die US-Regierung hatte zuvor militärische Schritte gegen die syrische Regierung nicht ausgeschlossen.

Frankreich wartet nach Angaben eines Regierungssprechers den Giftgas-Nachweis in Duma ab, bevor es reagieren wird. Präsident Emmanuel Macron hatte im Februar mit einem Militärschlag gedroht, sollten syrische Regierungstruppen mit C-Waffen Zivilisten töten. Macron und Trump seien sich einig, dass eine "starke Reaktion" der internationalen Gemeinschaft nötig sei, teilte das Präsidialamt nach einem Telefonat der beiden Staatschefs mit. Nach Angaben französischer Regierungsvertreter laufen Absprachen über eine koordinierte Aktion mit Bündnispartnern. Dabei würden alle Optionen geprüft.

Konsultationen

Auch die britische Premierministerin Theresa May kündigte weitere Konsultationen an. Sie habe in der Früh mit Macron telefoniert und werde noch mit Trump sprechen. Zudem werde sie noch am Dienstag eine Sitzung des nationalen Sicherheitsrates leiten. Auf die Frage, ob sich Großbritannien an einer US-Militäraktion beteiligen würde, antwortete sie ausweichend: "Wir glauben, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden sollten." Die britische Entwicklungsministerin Penny Mordaunt sagte, die Regierung diskutiere über ein militärisches Eingreifen und stimme sich mit internationalen Partnern ab.

Die USA wollen auch den UN-Sicherheitsrat über eine Resolution zum mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma abstimmen lassen. Die Abstimmung sei noch für diesen Dienstag 15.00 Uhr (Ortszeit, 21.00 Uhr MESZ) beantragt worden, hieß es aus Diplomatenkreisen in New York. Mit dem von den USA vorgelegten Resolutionsentwurf soll eine UN-Untersuchungskommission namens UNIMI geschaffen werden.

Die Kommission soll diejenigen identifizieren, die in Syrien Chlorgas und andere toxische Chemikalien einsetzen. Diese Aufgabe hatte zuvor der Joint Investigative Mechanism (JIM) übernommen, ein Team aus Experten der Vereinten Nationen und der OPCW. Dessen Mandat lief im November aber ab, nachdem Russland eine Verlängerung mehrfach mit seinem Veto gestoppt hatte.

Dem US-Entwurf zufolge sollen OPCW-Experten im Land zunächst prüfen, was genau in Duma vorgefallen ist. Der Vorfall dort wird in dem vierseitigen Papier als Chemiewaffenangriff bezeichnet und auf das Schärfste verurteilt. Mit dieser Formulierung dürfte der Entwurf allerdings kaum Chancen haben, im Fall einer Abstimmung das mögliche Veto Russlands zu überstehen.

Russland kündigte parallel einen Resolutionsentwurf an, um den OPCW-Experten den Zugang zur Region zu ermöglichen. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensja hatte Berichte über einen Chemiewaffenangriff in Duma am Montag als von Rebellen inszenierte "fake news" bezeichnet. Die Ratsmitglieder waren nach einer mehrstündigen, teils hitzig geführten Debatte auseinandergegangen und hatten anschließend noch hinter verschlossenen Türen diskutiert. (APA, 10.4.2018)