Im Gegensatz zu den bestehenden Nightjets sollen die neuen Reisezugwagen der ÖBB auch über Niederflureinstiege verfügen und somit zumindest teilweise barrierefrei sein.

Foto: ÖBB/Wegscheider

Innsbruck/Wien – Das Land Tirol wirbt mit neuen Nah- und Regionalverkehrszügen, die ab 2020 "im einheitlichen Tirol-Design" im Heiligen Land herumkurven sollen. 25 Triebzüge sollen im Zuge des neuen Verkehrsdienstvertrags (VDV) angeschafft werden, kündigten Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe (Grüne) nach der Regierungssitzung am Dienstag an.

Das Ungewöhnliche an dieser Ansage: Die Tiroler sprechen sich – wohl verklausuliert – geradeheraus für Bombardier als Hersteller aus. Wohl werden keine Namen genannt, aber es ist klar, dass es um 25 Triebzüge des Herstellers Bombardier geht. 100 Meter Zuglänge, 316 Sitzplätze (statt bisher 199) pro Einfachgarnitur, sechs Mehrzweckabteile für bis zu 24 Fahrräder, zwei Rollstühle und Kinderwagen – deutlicher kann die Ablehnung gegenüber dem in der Ostregion kurvenden Cityjet wohl nicht zum Ausdruck gebracht werden. Cityjet heißt der Triebzug Desiro ML von Siemens im ÖBB-Fuhrpark.

"Wunschzug" von Bombardier

Dabei handelt es sich um den Triebzugtyp Talent-3, wie ihn die ÖBB für die Vorarlberger Nahverkehrsoffensive bei Bombardier bestellt hat. Felipe hat ihren "Wunschzug" bereits am Wochenende im Berliner Bombardierwerk besichtigt. Einen Mehraufwand für die ÖBB stellen die Tiroler Wünsche nicht dar, denn die ÖBB hat mit dem kanadischen Hersteller Bombardier vor zwei Jahren einen Rahmenvertrag über bis zu 300 Triebzüge mit einem auf zwei Milliarden Euro taxierten Gesamtvolumen geschlossen, aus dem sie Rollmaterial abrufen kann.

Dass die ÖBB die Tiroler Wünsche nicht erfüllt, halten mit der Materie befasste Bahnauskenner vor diesem Hintergrund für unwahrscheinlich. Nach dem Nahverkehrsgipfel am Donnerstag wird man mehr wissen, da wird der Verkehrsdienstvertrag für Tirol ab 2020 Thema sein, für den noch der frühere Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) die Weichen gestellt hat.

Deutlich komplizierter liegt der Fall bei der noch immer nicht auf Schiene gebrachten Anschaffung von Nacht- und Reisezugwagen (teils für den Italienverkehr München-Verona). In dieser Causa gab es wohl massenhaft Verhandlungen mit interessierten Betreibern über die technischen Spezifikationen des gewünschten Rollmaterials, eine vergaberechtlich wasserdichte Ausschreibung liegt für die auf bis zu 400 Millionen Euro taxierte Beschaffung aber noch immer nicht vor.

Ende der China-Reise

Man wollte damit warten, bis die große Chinareise der Bundesregierung zu Ende ist, an der auch Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) teilgenommen hat, so die inoffizielle Begründung von Bahninsidern – und mit Verweis auf den Knackpunkt bei dieser Beschaffung: der Anteil an österreichischer und europäischer Wertschöpfung an den Reisezugwagen.

So eifrig Österreichs Politik vom Bundespräsidenten abwärts in den vergangenen Tagen in Peking Klinken geputzt, sich für die Seidenstraße angedient und chinesische Investoren umworben hat: Beim Ankauf von Rollmaterial für die Staatsbahn schätzt man chinesische Wertschöpfung eher gering. Wie hoch der chinesische Anteil bei dem Auftrag sein darf, stehe noch nicht fest, heißt es bei der Bahn.

"Wir hoffen, die Ausschreibung in den nächsten Tagen auf Schiene zu bringen und im Sommer die Vergabe", sagte ein Sprecher auf STANDARD-Anfrage. Was niemand offen ausspricht: Im Hintergrund geht es um ein Match zwischen Siemens und Bombardier. Ersterer verspricht, einen Teil der Wagen in Wien zu fertigen, Letzterer hat mit CRRC den weltgrößten Bahnausrüster zum Partner, vor dem sich Europas Ausrüster abschotten wollen. (Luise Ungerböck, 11.4.2018)