Bei einem Angriff auf die Stadt Douma, aus der die Assad-Gegner mittlerweile eigentlich bereits abziehen, soll Giftgas eingesetzt worden sein.

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US-Präsident Donald Trump machte für den mutmaßlichen Giftgasangriff auch seinen Vorgänger Barack Obama verantwortlich.

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Damaskus/Washington/Wien – Die Angst geht um, dass Syrien doch noch zur ganz großen Eskalation führen könnte: von einem Bürgerkrieg und regionalen Stellvertreterkonflikt zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und Russland. Dabei standen die Zeichen zuletzt ganz anders, als US-Präsident Donald Trump – zum Entsetzen seiner Generäle und seiner Verbündeten in der Region, allen voran Israel und Saudi-Arabien – ankündigte, in Kürze die US-Truppen aus Syrien abziehen zu wollen. Damit griff er auf, was er während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 stets gesagt hatte, nämlich dass die USA nur an der Zerschlagung des "Islamischen Staats" interessiert seien, nicht an Syrien selbst. In Moskau hörte man es mit Genugtuung.

Schon vor dem in jeder Hinsicht wahnsinnigen Chemiewaffeneinsatz in Douma in der Ostghouta nahm Trump diese Ankündigung zurück, aber seit den Geschehnissen von Samstag dreht sich das Karussell immer schneller: die US-Drohung mit einem Militärschlag, ein tatsächlicher Angriff Israels auf eine iranische Anlage in Syrien, neuerliche US-Drohungen und russische Gegendrohungen ...

Es wäre nicht Donald Trump, hätte er nicht sofort nach den schrecklichen Ereignissen in Douma seinen Vorgänger Barack Obama für diese verantwortlich gemacht: Dieser habe verabsäumt, das Assad-Regime zu lehren, die von den USA gesetzte "rote Linie" zu respektieren. Keine drei Monate im Amt, hatte Trump Anfang April 2017 einen Giftgasangriff auf Khan Sheikhoun mit einem US-Luftschlag auf den syrischen Militärstützpunkt Shayrat beantwortet. Es war eine begrenzte und einmalige punitive Maßnahme: Russland wurde vorab informiert und gab die Information wohl auch an die Syrer weiter. Die Einschätzungen der Effektivität des Angriffs fielen sehr unterschiedlich aus.

Selbstzerstörerisch

Giftgasangriffe – in Verletzung der "roten Linie" – gab es allerdings auch noch danach. Jener in Douma ist, wenn vom Regime durchgeführt, nicht anders als selbstzerstörerisch zu nennen. Douma war praktisch gefallen, Gespräche mit den Rebellen über ihren Abzug am Laufen. Mit wunderlichem Pragmatismus wurden sie auch nach dem Giftgasverbrechen weitergeführt.

Hunderte Menschen sind im syrischen Krieg, der sich 2012 aus dem Aufstand entwickelte, durch Giftgaseinsätze ums Leben gekommen, aber das sind im Vergleich zur sonstigen Opferzahl wenige. Als Obama seine "rote Linie" verhängte, tat er das im Einklang mit der US-Verteidigungsstrategie von 2012, die die Eindämmung von Massenvernichtungswaffen als internationale Priorität der US-Sicherheitspolitik definierte. Deshalb schien ein Militärschlag gegen das Regime so gut wie sicher, als im August 2013 in der Ostghouta mutmaßlich Sarin eingesetzt wurde und die USA das Regime dafür verantwortlich machten.

Obamas Verhalten, das er im März 2016 in einem Interview mit "The Atlantic" ausführlich erläuterte, wurde ihm vor allem von den arabischen Assad-Gegnern wie beispielsweise Saudi-Arabien schwer angekreidet. Sie hatten quasi schon die Bomber in der Luft gesehen, die geholfen hätten, Assad zu stürzen. Laut seiner eigenen Darstellung trat Obama jedoch an Russlands Präsidenten Wladimir Putin heran – in seiner Version spielte Obama also eine aktive Rolle (andere Quellen stellen das allerdings anders dar): Putin sollte Assad davon überzeugen, seine chemischen Waffen aufzugeben. Assad, unter Druck, stimmte zu. Und was auch immer seitdem geschah, eines ist sicher: Das, was das Regime jetzt offenbar noch immer hat, ist nichts im Vergleich mit dem, was nach 2013 von der OPCW (Organisation für das Verbot von Chemiewaffen) außer Landes geschafft wurde.

Ein Schwächling

Aber der US-Präsident sah wie ein Schwächling aus, dem seine selbst erstellten Regeln nichts wert waren. Zur kontrafaktischen Betrachtung der Ereignisse – was wäre passiert, wenn – gehört aber auch, eine damals verhinderte Möglichkeit mitzudenken: 2013 wurde der "Islamische Staat" noch notorisch unterschätzt, aber mit dem heutigen Wissen ist die Annahme nicht abwegig, dass er – quantitativ signifikant – in den Besitz solcher Waffen hätte kommen können. Wenigstens insofern gibt die Geschichte Obama recht: Es war gut, diese Waffen – oder die meisten – aus Syrien zu entfernen. Und im Falle Trumps kann man nur hoffen, dass er die Folgenabwägung anderen überlässt und danach entscheidet. (Gudrun Harrer, 11.4.2018)