Nun vom Salzburger Museum "Kunst der Verlorenen Generation" der Erinnerung und der Öffentlichkeit überantwortet: Horst Strempels "Pogrom", entstanden um 1945/46.

Foto: Museum Kunst der verlorenen Generation / Florian Stuerzenbaum

Hanna Bekker vom Raths "Blumen in gelber Vase", entstanden im Jahre 1928.

Foto: Kunst der Verlorenen Generation

Salzburg – Kunstinteressierten Salzburgern ist die Adresse ein Begriff: Sigmund-Haffner-Gasse 12. Hier im ersten Stock des nach einem steirischen Adelsgeschlecht benannten Pranckh-Hauses war fast zehn Jahre lang die 1992 gegründete zeitgenössische Galerie 5020 beheimatet. Seit 2017 befindet sich in dem von Marmorsäulen getragenen Hauptraum und den angrenzenden Räumen aber das Museum "Kunst der Verlorenen Generation".

"Jeder Kunsthistoriker kennt Max Beckmann, aber keiner kennt seine Schüler", beschreibt Heinz Böhme die Museumsidee anhand von Georg Heck. Dieser wurde als Schüler von Beckmann verfemt, seine Werke aus öffentlichem Besitz 1933 verbrannt.

Sammlungsthema ist eine ganze Künstlergeneration, die vom nationalsozialistischen Regime wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens, ihrer politischen Einstellung nicht geduldet, als entartet gebrandmarkt wurden. Rund 300 Bilder – hauptsächlich Ölgemälde – hat Arzt und Kunstsammler Böhme in den vergangenen Jahrzehnten zusammengetragen.

Viele Werke dieser Künstler wurden zerstört, ins Ausland verkauft oder mit etwas Glück im Verborgenen aufbewahrt. Ihre Namen und auch ihre Arbeiten sind größtenteils unbekannt. Wir haben uns lange nicht gesehen lautet denn auch der programmatische Titel der Eröffnungsausstellung des Privatmuseums.

Echte Zeitgeschichte

Wer in die mit rund 80 Werken bestückte Ausstellung eintaucht, findet sich in der Zeitgeschichte wieder. Bestes Beispiel hiefür sind die Arbeiten von Horst Strempel, in denen er sich, nach der Rückkehr aus dem Exil in Frankreich, mit den Pogromen der Nazis beschäftigte. Es handelt sich um Studien, die den Opfern des Faschismus gewidmet sind und die Grundlage für das berühmte, zu Beginn in der DDR viel gelobte Triptychon Nacht über Deutschland waren. Im Zuge der sogenannten Formalismusdebatte wurden die Arbeiten von Strempel dann massiv attackiert. Der einst Hochgeschätzte sah sich gezwungen, 1953 nach Westberlin zu gehen.

Andere Künstler sagen bestenfalls Spezialisten etwas: etwa der 1887 in Bromberg in Ostpreußen geborene Ludwig Jonas, der 1933 zunächst nach Frankreich, später nach Palästina emigrierte und 1942 in Jerusalem starb. Oder auch der 1944 von den Nazis ermordete Rudolf Levy sowie die Malerin, Sammlerin und Mentorin Hanna Bekker vom Rath.

Sehr große Vielfalt

So vielfältig die Lebensgeschichten der jeweiligen in der Sammlung berücksichtigten Künstler sind, so vielfältig sind die versammelten Stile. Die Schau spiegle die Strömungen der Weimarer Republik: "Spätimpressionismus, Kubismus, Expressionismus, Dada, Surrealismus, Neue Sachlichkeit", sagt Alexandra Sigl, Mitarbeiterin von Böhme.

Mittelfristig will Böhme die – ohne finanzielle Unterstützung zusammengestellte – Sammlung und das gemeinnützig geführte Museum in eine Stiftung umwandeln. Die naheliegende Frage nach der Provenienz der Bilder beantwortet Böhme dahingehend: Jedes Bild sei umfangreich recherchiert worden. Im Zweifel sei die Datei der Forschungsstelle "Entartete Kunst" der FU Berlin zurate gezogen worden.

Und was treibt einen Mediziner an, eine derartige Sammlung überhaupt zusammenzutragen? Über seine persönlichen Motive will Böhme, der Sohn einer Wienerin und eines Sachsen, nicht öffentlich sprechen. Inhaltlich hat der Privatsammler freilich eine ganz klare Botschaft: Wenn der letzte Zeitzeuge gestorben sei, droht das große Schweigen.

Deshalb müssten "die Werke selbst sprechen lernen", deshalb sei für ihn "die Geschichte hinter dem Bild" wichtiger als der jeweilige Malstil: "Die Biografien sind das Leitmotiv." (Thomas Neuhold, 11.4.2018)