Erfolgreiche Unternehmer wie Elon Musk widmen sich dem Weltraum, da kann ein kleines, schlaues Land auch eine Rolle haben, meint Mei-Pochtler.

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STANDARD: Sie wollen mit Think Austria eine langfristige Strategie für Österreich entwickeln und zur evidenzbasierten Politik beitragen. Worum geht es?

Antonella Mei-Pochtler: Man sollte bei politischen Handlungen immer die Wirkung, die konkreten Ergebnisse messen, so wie in einem Unternehmen. Klarerweise geht es hier nicht nur um ökonomische Kriterien, sondern es muss auch der öffentliche Wert evaluiert werden. Aber da gibt es Messlatten. Wir brauchen ein Wirksamkeitsbarometer und einen Expertenpool.

STANDARD: Gibt es nicht genug Experten in Ministerien und Instituten, die ohnehin regelmäßig beigezogen werden?

Mei-Pochtler: Die Bereiche sind so vernetzt und komplex, dass heute nicht einmal ein Leonardo da Vinci den vollen Durchblick hätte. In Frankreich hat Präsident Emmanuel Macron, in Kanada Premier Justin Trudeau ähnliche Stellen installiert, auch Singapur und Großbritannien haben vergleichbare Gremien. Das machen sie alle, um neben dem Tagesgeschäft nach vorn zu schauen.

STANDARD: Zu welchen Themen?

Mei-Pochtler: Wir haben sieben Felder definiert. Es beginnt mit der neuen Wettbewerbsfähigkeit. Da kann man gleich die Brücke zu China schlagen. Wettbewerbsvorteile bekommt man heute weniger durch Größe als durch Geschwindigkeit, die Fähigkeit, die neuesten Technologien einzusetzen. Unsere Standortvorteile müssen überdacht werden.

STANDARD: Können Sie das etwas konkreter beschreiben?

Mei-Pochtler: Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit in zehn Jahren. Ein Beispiel: Haben wir die Talente in Österreich, die mit künstlicher Intelligenz umgehen können? Wir müssen sehr schnell handeln, weil das alles lange Vorlaufzeiten hat. Da geht es um Bildung, um den Umgang mit möglichen Verlierern solcher Trends.

STANDARD: Welche Punkte behandeln Sie noch?

Mei-Pochtler: Der zweite Punkt lautet: neue Identität. Da geht auch um den Umgang mit der digitalen Identität. Wie definieren wir, wer wir sind? Was ist österreichisch in einer Gesellschaft, die immer fluider wird. Wir müssen für Offenheit und für Werte stehen. Werte sind wichtiger als Herkunft.

STANDARD: Der Wahlkampfschlager von Sebastian Kurz war das Schließen der Westbalkanroute, jetzt wollen Sie ein Plädoyer für Offenheit halten?

Mei-Pochtler: Ich glaube, dass Offenheit nur funktioniert, wenn man nicht verhandelbare Prinzipien hat. Je klarer es ist, was man erfüllen muss, um Teil des Klubs zu sein, desto offener kann man sein.

STANDARD: Was thematisieren Sie noch?

Mei-Pochtler: Der dritte Punkt ist die Rolle Österreichs in der Welt und darüber hinaus im Weltraum. Wir wissen, dass sich geopolitisch viel verändert, da stellt sich die Frage, wie Österreich seine Stärken einbringen kann.

STANDARD: Ist der Weltraum für ein kleines Land nicht ein ziemlich großes Feld?

Mei-Pochtler: Erfolgreiche Unternehmer wie Elon Musk und Jeff Bezos widmen sich dem Weltraum, da kann ein kleines, schlaues Land auch eine Rolle haben. Es gibt mehr als die Welt, in der wir leben. Das sollten wir nicht verpassen.

STANDARD: Wie geht es weiter?

Mei-Pochtler: Dann kommt das Thema neue Leistung und Verantwortung. Gerade wenn wir bedenken, dass es im Zuge der künstlichen Intelligenz zu einem neuen Zusammenspiel von Maschine und Mensch kommen wird, wirft das Fragen auf. Ein Thema lautet: neues Leben. Da spielen Fragen der Nachhaltigkeit und des Einflusses neuer Technologien auf Mobilität und Lebensraum eine Rolle, wobei neben "Smart City" auch "Smart Land", also die Stärkung des ländlichen Raumes, wichtig ist. Der nächste Punkt dreht sich um das, was das Denken der Menschen beeinflusst, etwa um Kunst, Philosophie, Ethik oder um Medien. Der letzte Punkt heißt: neue Wege. Da geht es um Bürgerbeteiligung, Verwaltung, Demokratie, Datenschutz und vieles andere mehr.

STANDARD: Wir sitzen in Peking. Schauen Sie sich von China etwas ab? Hier wird langfristig geplant, generalstabsmäßig umgesetzt.

Mei-Pochtler: Hundertprozentig. In China gibt es zwar einen monolithischen Führungsblock, doch in den Diskussionen vor einer Entscheidung gibt es eine große Vielfalt. Bei uns wird am liebsten nach der Entscheidung vieles zerredet. Dadurch werden die Entscheidungen nicht besser und die Umsetzung schlechter. In der Umsetzungsgeschwindigkeit müssen wir uns etwas von China abschauen.

STANDARD: Wer wird im Team sein?

Mei-Pochtler: Dafür ist es noch zu früh, aber so viel kann ich sagen: Wir werden Leute aus dem Sozial- und Kulturbereich haben, natürlich aus der Wissenschaft und der Wirtschaft. Personen aus dem In- und Ausland, wobei sie einen Bezug zu Österreich haben sollten.

STANDARD: Namen wie Zeilinger und Penninger drängen sich auf.

Mei-Pochtler: Es würde mich freuen, wenn sie sich mit ihrer Expertise einbringen möchten. (Andreas Schnauder, 12.4.2018)