Flüchtling beim Deutschlernen: Die Koalition räumt Geldtöpfe leer – doch das Angebot soll bleiben.

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Wien – Daniela Holzinger hält es für eine Beschönigung, der Regierung Kurzsichtigkeit vorzuwerfen. Was ÖVP und FPÖ da anrichteten, "passiert nicht aus Unverständnis", sagt die Abgeordnete. Ganz gezielt, behauptet Holzinger, produziere die Koalition Fälle gescheiterter Integration, um im nächsten Wahlkampf genau darauf herumzureiten: "Das ist staatliche Integrationsverhinderung."

Die Sozialsprecherin der Liste Pilz meint damit jene Einsparungen, die seit Wochen Kritik provozieren. Wie berichtet, gewährt die Regierung dem Arbeitsmarktservice heuer um 105 Millionen Euro weniger an Integrationsförderung als ursprünglich geplant: Für das "Integrationsjahr", das etwa Sprachkurse, Kompetenzchecks und Arbeitstrainings beinhaltet, gibt es statt 100 nur 50 Millionen, ein zusätzlicher Topf mit 55 Millionen für weitere Deutschkurse und Qualifizierungsmaßnahmen geht zur Gänze verloren. 2019 wird dann auch das Integrationsjahr auf null heruntergefahren.

Heißt das, dass die bisher offerierten Kurse und Trainings für Asylberechtigte ersatzlos gestrichen werden? Oder hat die Koalition vor, den Ausfall mit Angeboten anderer Institutionen zu kompensieren? Schließlich beteuert ein türkis-blauer Vertreter nach dem anderen: Bei der Integration werde nicht gespart, sondern lediglich "umgeschichtet".

Mysteriöse Geldquellen

Der STANDARD hat im Sozialministerium, das für das AMS und die dort vergebenen Kurse zuständig ist, nachgefragt. Die Antwort aus dem Büro von Ressortchefin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) fiel kurz und bündig aus. Das erst im Vorjahr gestartete Integrationsjahr laufe mit 2019 zwar aus, sagt ein Sprecher, doch im Gegensatz zu den Qualifizierungsmaßnahmen und den anderen Modulen des Programms seien die Angebote zum Deutschlernen nicht von der Kürzung betroffen: "Die Sprachkurse werden am AMS künftig aus anderen Töpfen bezahlt." Aus welchen konkret, war auf Nachfrage nicht zu eruieren.

Die Auskunft aus dem Ministerium widerspricht allerdings der Darstellung des AMS. Man werde die Kurse nicht auf null fahren, sondern versuchen, aus dem allgemeinem Budget Kurse zu finanzieren, sagt eine Sprecherin, doch dies könne niemals im gleichen Ausmaß wie in den vergangenen beiden Jahren gelingen. Ohne die nun leergeräumten Sondertöpfe sei das Angebot logischerweise nicht aufrechtzuerhalten.

Dass auch jene Institute mit einem Kahlschlag rechnen, die bisher die staatlich bezahlten Sprachkurse ausrichteten, legt eine Auskunft aus der Arbeitnehmervertretung nahe. Aus dem Frühwarnsystem des AMS, wo Unternehmen drohende Kündigungen melden müssen, lasse sich schließen, dass etwa der Job jeder fünften von rund 8000 Sprachtrainerinnen gefährdet sei, heißt es auf Nachfrage aus der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA). In der Privatwirtschaft seien bei derartigen Kündigungswelle Krisenpläne üblich, sagt Pilz-Mandatarin Holzinger und fordert von der Regierung, sich für eine Arbeitsstiftung einzusetzen.

Mehr arbeitslose Flüchtlinge

Der Kundenkreis für Kurse ist hingegen bis zuletzt gewachsen. Die Regierung weist zwar darauf hin, dass heute weit weniger Menschen in Österreich um Asyl ansuchen als noch vor zwei Jahren. Doch weil Asylverfahren und Integration Zeit brauchen, hat sich der Rückgang bisher nicht in der AMS-Klientel niedergeschlagen.

Laut einer Auswertung des Wirtschaftsforschungsinstitutes ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Flüchtlingen im Vormonat zwar geringfügig – um 243 Personen – geschrumpft, davor gab es aber einen stetigen Anstieg. Suchten vor einem Jahr 29.069 Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte Arbeit, so waren es heuer im März bereits 32.401. Binnen drei Jahren hat sich der Pool der arbeitslosen Flüchtlinge mehr als verdoppelt (Gerald John, 12.4.2018)