Bungee-Fitness ist ein Workout, bei dem der ganze Körper gefordert wird.

Foto: yogafusion

Franziska Zoidl beschäftigt sich beruflich mit Gesundheit. Das beeinflusst auch ihre Freizeitgestaltung.

Allein der Gedanke an einen Bungee-Jump, also den Sprung in die Tiefe, während man nur an einem Gummiseil hängt, löst bei mir Todesängste aus. Bungee-Fitness klingt deutlich ungefährlicher: Bei dem neuen Trend hängt man zwar ebenso an einem Bungee-Seil, dafür befindet man sich aber nicht über einem Abgrund, sondern im sicheren Fitnessstudio.

"Es ist ein Workout, bei dem der ganze Körper gefordert ist", erklärt die Trainerin Daniela Aeriality von Bungee Training Austria, die den Sport im Wiener Studio Yogafusion unterrichtet. Dort baumeln von der Decke sechs Bungee-Seile, in die man sich mit Klettergurten einhängt.

Damit dieser Gurt aber nicht unangenehm drückt, ziehen wir vorab eine dick gepolsterte Neopren-Hose an. Der Gurt, in dem man beim Bungee-Training hängt, sei am Anfang für viele unangenehm, erklärt Daniela. Spätestens nach dem dritten Training gewöhne man sich aber daran.

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Nun hängen wir unseren Klettergurt an das von der Decke baumelnde Seil. Erst wird die rechte Hüfte gehoben und der Gurt in den Karabiner geschoben, dann die linke. Klick. Wer kleiner ist, darf auf eine Leiter klettern, um sich einzuhängen. Dann hängen wir. Und zwar so fest, dass plötzlich sogar die nur wenige Meter entfernte Trinkflasche zum unerreichbaren Ziel wird.

Es geht los: Wir beginnen mit Squats, gehen also erst einmal in die Knie. Hinten spüre ich das Seil, das mich nach oben zieht, wenn ich runtergehe. Die nächste Übung nennt sich Titanic: So wie die männliche Hauptfigur des Hollywood-Streifens lehnen wir uns mit durchgestreckten Knien und ausgebreiteten Armen so weit wie möglich nach vorn. Das erfordert anfangs ein bisschen Überwindung. Ohne Seil hätte ich längst das Gleichgewicht verloren.

In Zeitlupe springen

Nun wird es schon akrobatischer: Wir laufen einige Male vor und zurück und springen dann mit ausgestreckten Armen und Beinen nach vorn, das Seil zieht uns sanft zurück. Ich fühle mich, als würde ich in Zeitlupe springen. Wichtig ist, immer in die Richtung zu schauen, in die man springen will, erklärt Trainerin Daniela – und diese Lehre aus dem Workout sei durchaus auch auf das Leben ummünzbar, findet sie.

Als Nächstes gehen wir in die Liegestützposition. Gar nicht so einfach, trotz des gespannten Seils auf den Boden runterzukommen. Dafür geht es dann ganz einfach, sich mit Armen und Beinen gleichzeitig vom Boden abzudrücken und – zu fliegen. Zumindest kurz, bis ich wieder am Boden aufkomme. Auch sehr lustig sind Rabbit-Jumps. Man geht tief in die Knie und springt dann, wie bei einem Köpfler, mit ausgestreckten Armen nach vorn – stößt sich dort mit den Händen ab und landet wieder auf den Beinen. Bei den Übungen muss der Bauch angespannt werden, um den Körper zu stabilisieren. Das spürt man schnell.

Das bestätigt auch der Linzer Sportmediziner Rainer Hochgatterer: "Die Rumpfmuskulatur wird bei einem solchen Training stark beansprucht", sagt er. Auch koordinativ sei das Training fordernd. Für ein Workout am Seil benötige man eine Grundfitness, Anfänger sollten sich daher nur langsam steigern, um den Körper nicht zu überfordern, so der Sportmediziner: "Muskulär müde sollte man dabei nicht sein." Und auch Menschen mit Rückenproblemen rät er vom Training am Bungee-Seil ab.

"Nun probieren wir den Handstand", sagt Daniela. Den kann ich nicht, erkläre ich ihr, ich würde jetzt also gern aussetzen und den anderen zuschauen. Ausprobieren, meint die Trainerin. Und das mache ich: Ein Bein bleibt am Boden, das zweite holt Schwung, und plötzlich befinde ich mich in einem etwas wackeligen Handstand und schlinge mit ein wenig Hilfe ein Bein um das Seil. Die Welt steht Kopf. Das macht mich stolz.

Plötzlich Superheldin

"Beim Training werden Glückshormone ausgeschüttet", ist Trainerin Daniela überzeugt. "Die Leute beginnen zu springen, und nach zehn Minuten haben sie einen fetten Grinser im Gesicht." Zumindest bei unserer Trainingsgruppe hat sie damit recht.

Der große Vorteil des Seils: Man schafft damit plötzlich Übungen, die ohne unmöglich wären. Es ist ein bisschen so, als ob man fliegen könnte – und das mitten im neunten Wiener Gemeindebezirk während der Mittagspause. "Man wird zur Superheldin", beschreibt Trainerin Daniela dieses Gefühl. Und dann ist die Stunde auch schon vorbei. Ich klinke mich aus dem Karabiner aus und spüre die Schwerkraft schon beim ersten Schritt: Ich stolpere. (Franziska Zoidl, 15.4.2018)