Wien – Im Gegensatz zu Shakespeares Julia war Amal E. mit 15 Jahren zumindest schon mündig, als sie am 1. Dezember 2016 Lorenz K. geheiratet hat – nach islamischem Recht, in der Wohnung eines Imams in der deutschen Stadt Neuss. Stimmt ihre Aussage, hätte die Beziehung noch tödlicher geendet als das literarische Vorbild: Die heute 17-Jährige sagt am fünften Tag des Prozesses gegen ihren zwei Jahre älteren "Ehemann" nämlich aus, er habe versucht, sie zu einem gemeinsamen Selbstmordanschlag zu überreden.

Die Jugendliche wird via Videokonferenz in Deutschland befragt, wo sie mit einem weiteren mutmaßlichen Komplizen K.s selbst mit einer Terroranklage vor Gericht sitzt. Es ist daher naheliegend, dass sie eher versucht, sich als verführtes Opfer darzustellen, allerdings sind ihre Schilderungen durchaus plastisch.

Zunächst freundschaftlicher Kontakt

Eigentlich sei K. mit einer Freundin aus ihrer Moschee virtuell zusammen gewesen, erzählt die Zeugin. Als die Eltern das Handy der Freundin konfiszierten, um den Kontakt zu unterbinden, stellte E. ihr Mobiltelefon zur Verfügung. So kam auch sie mit dem Angeklagten in Verbindung, "der Kontakt war erst nur freundschaftlich."

Aus der Freundschaft wurde ganz offensichtlich mehr, nach E.s Darstellung drängte der Angeklagte sie immer mehr in die radikale Ecke. "Ich habe versucht, alles richtig zu machen. Herr K. hatte großen Einfluss, er kam sehr glaubwürdig rüber", erzählt die Zeugin. "Dann begann ich, falsche Sachen zu glauben." – "Welche zum Beispiel?", fragt der Vorsitzende des Geschworenengerichts. "An den IS (Terrormiliz "Islamischer Staat", Anm.), dass man Ungläubige töten muss."

"Dann kam irgendwann die Idee auf, einen Anschlag zu machen." Anfangs sei sie dagegen gewesen, behauptet sie: "Ich wollte nicht so jung sterben." Aber sie ließ sich angeblich breitschlagen, nachdem K. während eines Telefonats in Tränen ausbrach und beklagte, dass er nichts für den Islam leiste.

Beziehungsgespräch à la IS

So entstand beispielsweise ein sichergestelltes Chatprotokoll zwischen den Teenagern. "Was machst Du?", fragt K. und erhält als Antwort: "Haare glätten. Und Du?" – "Bauen." "Worum ist es da gegangen?", will der Vorsitzende wissen. "Na ja, die Bombe." Gesehen habe sie den Sprengkörper aber nie direkt, sie will auch nichts von einem konkreten Anschlagsziel oder -datum gewusst haben.

Am 1. Dezember kam K. mit dem Zug nach Neuss, sie sah ihn erstmals in natura, nach der Eheschließung verbrachte man ein paar Stunden in einem Hotel. Zuvor hatte E. noch ihr Handy verkauft und K. 60 Euro gegeben – ob er es für Kost, Logis oder Bombenbauteile brauchte, weiß sie nicht.

Am 3. Dezember 2016 kam es zum zweiten und letzten Treffen. "Ich habe daheim gesagt, dass ich mit zwei Freundinnen shoppen gehe, daher durfte ich hinaus", sagt sie. Ein Bruder erfuhr von einer der angeblichen Konsumpartnerinnen aber, dass E. wieder in Neuss war – mit ihrem Mann. Die Familie alarmierte die Polizei, so kam man in Deutschland auch auf die Spur von Lorenz K., die zunächst folgenlos blieb. Erst mehr als einen Monat später wurde die heimische Exekutive alarmiert, die den Vorbestraften am 20. Jänner 2017 festnahm.

Angeklagter empört sich über Zeugin

Seine Reaktion auf die Darstellung seiner Angetrauten ist recht emotional. "Sie lügt!", empört er sich. Ja, er sei IS-Mitglied gewesen und habe einen Anschlag geplant, aber sie wollte selbst mitmachen. "Sie hat gesagt, sie will nicht alleine hier bleiben", behauptet der 19-Jährige. "Sie ist (...), labert Blödsinn", presst er noch aus sich heraus.

Das Urteil soll am Freitag fallen. (Michael Möseneder, 12.4.2018)