Ringen mit dem Herztier: Nobelpreisträgerin Herta Müller.


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Das Konzept der Veranstaltung "Literatur in Nebel" in Heidenreichstein ist in Zeiten der kurzen Aufmerksamkeitsspannen mutig. Weder wird hier ein buntes Potpourri verschiedener Autorinnen und Autoren präsentiert, die in mehr oder weniger kurzen Lesungen neue Bücher präsentieren, noch setzt man bei "Literatur in Nebel" auf eine übermäßige Eventisierung von Literatur.

Vielmehr sind in der Margithalle in der Waldviertler Gemeinde zwei ganze Tage mit Diskussionen, Lesungen und Vorträgen einer einzigen Schriftstellerin, einem Schriftsteller gewidmet. Ian McEwan war hier schon zu Gast, Margret Atwood oder letztes Jahr die 2015 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete weißrussische Nobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch. Auch heuer steht mit Herta Müller der heutige Tag und der Samstag ganz im Zeichen einer Nobelpreisträgerin.

1953 in die deutschsprachige Minderheit der Donauschwaben im Banat (Rumänien) hineingeboren, studierte Herta Müller Anfang der 1970er-Jahre Germanistik und Rumänistik in Temeswar. Anschließend arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, bis sie wegen ihrer Weigerung, mit dem Geheimdienst Securitate zusammenzuarbeiten (was ihr später fälschlicherweise vorgeworfen wurde), entlassen und mit einem Publikationsverbot belegt wurde.

Erst 1984 konnte ihr in Rumänien zensurierter Prosa-Erstling Niederungen über das Aufwachsen in einer dörflichen Antiidylle im Banat in Originalfassung erscheinen, und zwar in Deutschland, wohin die Autorin 1987 floh. Mit geistiger Enge – nicht nur in Rumänien – und gegenseitiger Überwachung hat sich Müller in vielen ihrer Prosa-, Lyrik- und Collagenbände auseinandergesetzt. In ihrem zweiten Roman Herztier (1994) etwa schreibt sie: "Wir sind im Kopf weggegangen, aber mit den Füßen stehen wir in einem anderen Dorf. In der Diktatur kann es keine Städte geben, weil alles klein ist, wenn es bewacht wird."

Aus Niederungen und Herztier lesen am Freitag ab 17 Uhr unter anderem Marion Mitterhammer, Fabian Krüger und Barbara Schnitzler, dazu gibt es ein Gespräch zwischen dem ebenfalls aus dem Banat stammenden Schriftsteller Ernst Wichner und Herta Müller sowie einen Vortrag von Norbert Otto Eke. Am Samstag, ab 17 Uhr, zeigt Herta Müller Collagen, Marion Mitterhammer liest aus Müllers Essay Christina und ihre Attrappe: Oder was (nicht) in den Akten der Securitate steht, der auf Basis der Auseinandersetzung der Autorin mit ihrer Securitate-Akte entstand. Dazu lesen, nachdem Bettina Hering ein Gespräch mit Herta Müller geführt hat, Maja Haderlap, Franz Josef Czernin und Johannes Terne aus Texten der Nobelpreisträgerin. (steg, 12.4.2018)