Wasserstoff wird am Stahlkocher heiß gehandelt. Bis 2035 sieht Voestalpine-CEO Wolfgang Eder Sicherheitsbedenken rund um das hochexplosive Gas aus dem Weg geräumt.

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Kann die Eisen- und Stahlindustrie, auf die gegenwärtig ein entsprechend großer Teil der industriellen Emissionen entfällt, künftig vollständig CO2-frei werden? Zumindest rein technisch bestünde die Möglichkeit, in Zukunft fossilen Brennstoffen eine Absage zu erteilen. Und der politische Druck ist entsprechend groß: Die Klima- und Energieziele der EU sehen bis 2030 eine Senkung der CO2-Emissionen um 40 Prozent vor, die die energieintensive Industrie vor nahezu unlösbare Probleme stellt.

Projektkonsortium

Der Schlüssel zum grünen Stahlerfolg liegt im Wasserstoff. Anders als beim Koks bleibt bei der Eisenerzeugung mit Wasserstoff statt Kohlendioxid nur ein Restprodukt übrig: Wasser. Und der Strom für Wasserstofferzeugung mittels Elektrolyse soll im Idealfall aus erneuerbaren Energien genutzt werden.

Die drei Großkonzerne Voestalpine, Siemens und Verbund wollen sich dieser entscheidenden Zukunftsfrage künftig nicht mehr rein theoretisch stellen. Konkret setzen die Konzerne als Projektkonsortium H2Future Mitte April gemeinsam mit den Wissenschaftspartnern K1-Met und ECN zum Spatenstich für eine der weltweit größten Elektrolyseanlagen zur Erzeugung von grünem Wasserstoff an. Bereits im Sommer sollen die einzelnen Anlagenkomponenten geliefert und noch binnen Jahresfrist der Testbetrieb gestartet werden.

Für die Umsetzung des Projektes mit dem Ziel, grünen Wasserstoff in einer sogenannten Protonen-Austausch-Membran-(PEM-)Technologie zu produzieren und den Einsatz als Industriegas sowie den Betrieb der Anlage auf dem Regelenergiemarkt zu testen, stellt die EU rund zwölf Millionen Euro an Fördermitteln aus dem Horizon-2020-Programm ("Joint Undertaking Fuel Cells and Hydrogen") zur Verfügung. Das gesamte Projektvolumen beläuft sich auf rund 18 Millionen Euro. "Sowohl die Industrie als auch die Energieversorger sind angesichts der EU-Klima- und -Energieziele bis 2030 mit großen energiepolitischen Herausforderungen konfrontiert, die grundlegende technologische Veränderungen erfordern", sagt Voestalpine-Chef Wolfgang Eder.

Die Voestalpine gehe schon seit Jahren den Weg der schrittweisen Dekarbonisierung in der Stahlproduktion und stelle mit der geplanten Wasserstoffpilotanlage "endgültig die Weichen in Richtung Erforschung echter 'Breakthrough'-Technologien".

Das Herzstück der großindustriellen Zukunftsschmiede in der Stahlstadt ist das bereits erwähnte, weltweit größte, PEM-Elektrolysemodul mit sechs Megawatt (MW) Anschlussleistung. Damit können 1200 Kubikmeter Wasserstoff pro Stunde produziert werden. Das von Siemens entwickelte Aggregat soll einen deutlich höheren Wirkungsgrad als bisherige vergleichbare Anlagen erreichen. Beim Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyseur wird Wasser mithilfe von elektrischer Energie – in Linz künftig mit Strom aus erneuerbaren Quellen des Verbund – in seine Grundkomponenten Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.

Heikle Stromversorgung

"Der gewonnene Wasserstoff ist vielseitig einsetzbar, beispielsweise als Grundstoff in der Industrie, aber auch als Treibstoff in der Mobilität und als Energieträger bei der Strom- und Gasversorgung", erläutert Wolfgang Hesoun, Generaldirektor von Siemens Österreich.

Weltweit werden jährlich über 500 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff verbraucht, von denen bislang über 95 Prozent durch einen CO2-lastigen Gasreformierungsprozess hergestellt werden. Hesoun: "Mit Wasserstoff aus Elektrolyse kann CO2-lastiger Wasserstoff ersetzt werden, wodurch sich die Emissionsbilanz von industriellen Prozessen stark verbessern lässt. Erfolgt die Elektrolyse mit Strom aus regenerativen Quellen, ist die Wasserstofferzeugung zudem nahezu klimaneutral."

Dem gegenüber steht natürlich, dass im Falle einer großflächigen grünen Stahlproduktion die Steckdose glüht: Steigt die Stahlindustrie in Österreich auf Wasserstoff um, würde man, so schätzen Experten, elektrische Energie in der Höhe von 35 Terawattstunden benötigen. Also mehr als die Hälfte der gesamten Stromproduktion Österreichs, was wiederum etwa einer Anzahl von 25 Donaukraftwerken entspricht – bei einer aktuellen Anzahl von zehn Kraftwerken in Österreich. (Markus Rohrhofer, 13.4.2018)