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Comey geht in seinem Buch "A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership" mit Trump hart ins Gericht.

Foto: AP/Andrew Harnik

Washington – Dass James Comey ein genauer Beobachter ist, lässt sich schon daran erkennen, wie er Donald Trump skizziert. Eine leicht in Orangetöne gehende Gesichtsfarbe, unter den Augen weiße Halbmonde, offenbar zurückzuführen auf die Schutzbrille, die sich der Mann wohl im Sonnenstudio aufsetzt. Dazu beeindruckend frisiertes, hellblondes Haar, das auch bei näherer Betrachtung aussieht, als wäre es echt. "Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, wie viel Zeit er wohl morgens braucht, um das so hinzukriegen."

Comey, bis vor elf Monaten Direktor des FBI, hat ein Buch geschrieben. Nicht allein über Trump, von dem er gefeuert wurde, es geht auch um seine eigene Karriere. Staatsanwalt in New York, stellvertretender Justizminister unter George W. Bush, 2013 von Barack Obama zum Chef der Bundespolizei befördert: Auch ohne den spektakulären Rauswurf würde es kaum an Stoff für einen Memoirenband mangeln.

Da der 2,03 Meter große Jurist aber nicht nur zu den schärfsten Kritikern des aktuellen US-Präsidenten zählt, sondern auch weiß, wie es hinter den Kulissen zugeht, sind es nun einmal die Passagen über Trump, die in erster Linie interessieren. Schon der Titel "Higher Loyalty" spielt darauf an, wo Comey den Graben verlaufen sieht. Während er allein der Verfassung verpflichtet sei, drehe sich bei Trump alles um persönliche Treue. Trump im Oval Office, das sei vergleichbar mit einem Waldbrand, der den Normen und Traditionen des Landes schweren Schaden zufüge.

"Mafiaboss" Trump

Es ist nicht das erste Mal, dass Comey aus der Machtzentrale Geheimnisse preisgibt. Schon im vergangenen Juni, als er einen Monat nach seiner Entlassung vor dem Geheimdienstausschuss des Senats aussagte und die Fernsehsender dies live übertrugen, nahm er kein Blatt vor den Mund. In seinem Buch aber schildert er es noch plastischer, zitatengenau, gewürzt mit Episoden. Trump, schreibt er, erinnere ihn an einen Mafiaboss.

Der Staatsanwalt Comey trug einst dazu bei, das Verbrechersyndikat der Gambino-Familie zu zerlegen. Als Trump ihn im Februar 2017 in die Regierungszentrale zu einem Gespräch bestellte, an dem auch der damalige Stabschef Reince Priebus teilnahm, habe er daran zurückdenken müssen. "Der Zirkel stillschweigenden Einverständnisses. Der Boss, der die volle Kontrolle hat. Die Treueschwüre. Die Weltsicht des ‚Wir gegen sie‘. Das Lügen über alles, seien es große Dinge oder kleine, im Dienste eines Loyalitätskanons, der die Organisation über die Moral und die Wahrheit stellt."

Wenige Wochen zuvor, da war Trump zwar schon gewählt, aber noch nicht im Amt, hatte sich der FBI-Direktor erstmals mit ihm getroffen, im Hochhaus des Immobilienmoguls an der Fifth Avenue in Manhattan. Schon damals, so Comey, musste er an die New Yorker Männerclubs der Mafia denken – "The Ravenite", "The Palma Boys", "Café Giardino". Später, bei einem Dinner zu zweit im Weißen Haus, habe er sich gefühlt wie bei einem Ritual, das der Cosa-Nostra-Chef Sammy the Bull zelebrierte, wenn er neue Mitglieder aufnahm.

Folgenschweres Abendessen

Besagtes Abendessen dürfte zu den folgenschwersten der jüngeren amerikanischen Geschichte gehören. Bei Garnelensalat, Chicken Parmesan und Vanilleeis gab der Präsident Comey zu verstehen, dass selbiger die Ermittlungen gegen Michael Flynn, den über die Russlandaffäre gestolperten Nationalen Sicherheitsberater, doch bitte einstellen möge. "Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität", zitiert ihn der bald daraufhin Geschasste. Trump, schlussfolgert er, habe versucht, das Verhältnis eines Schutzpatrons zu einem Abhängigen herzustellen, ohne die Rolle des FBI im politischen System zu verstehen. "Sie werden jederzeit Ehrlichkeit von mir bekommen", habe er, Comey, entgegnet. Darauf Trump: "Das ist es, was ich will, ehrliche Loyalität." Der Präsident habe es offenbar als eine Art Deal angesehen, "als einen Deal, bei dem wir beide gewinnen".

Dann wäre da noch die Causa Hillary Clinton, die Affäre um dienstliche E-Mails, welche die Exaußenministerin über ihren Privatserver laufen ließ. Im Juli 2016 hatte Comey die Kandidatin weitgehend entlastet. Im Oktober, elf Tage vor der Wahl, rollte er das Kapitel noch einmal auf, weshalb ihn manche Demokraten bis heute für die Niederlage der Favoritin verantwortlich machen. Mit Blick auf die Meinungsumfragen habe er angenommen, dass Clinton das Votum gewinnen würde, begründet James Comey im Rückblick seinen Entschluss. Deshalb sei es seine größte Sorge gewesen, sie durch das Verschweigen neuer Untersuchungen nicht etwa zu einer "illegitimen Präsidentin" zu machen. Hätte er vielleicht anders gehandelt, wenn der Ausgang der Wahl knapper ausgesehen hätte oder Trump in den Umfragen sogar vorn gelegen wäre? "Ich weiß es nicht." (Frank Herrmann aus Washington, 13.4.2018)