Noch befinden sich die meisten Anwendung der Blockchain-Technologie in den Energiemärkten erst im Prototypen-Stadium oder werden in Pilotprojekten getestet – für die Regulierungsbehörde E-Control werfen die Blockchains aber bereits eine Reihe von Fragen auf. Die E-Control hat nun in einem Arbeitspapier eine Bestandsaufnahme gemacht und grundsätzlich festgehalten, wie sie mit dem Thema umgehen will.

"Wir als Regulierungsbehörde sehen ganz deutlich: Es tut sich etwas im Zusammenhang mit dieser Technologie. Wenn man die ganze IT-Landschaft beobachtet, dann zeigt sich ganz deutlich, dass die Entwicklung in eine dezentrale Richtung läuft", sagte E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch am Donnerstagabend bei einem Hintergrundgespräch. Von Blockchains und Dezentralität erhoffe man sich einerseits mehr Sicherheit, weil es schwieriger sei, dezentrale Systeme anzugreifen, andererseits aber auch eine Kostenersparnis.

Frage der Verantwortung

"Man befindet sich sicher noch auf einem Entwicklungspfad, den wir sehr genau beobachten und dann unsere Ableitungen treffen werden", sagte Urbantschitsch. Eine zentrale Frage dabei sei die der Verantwortlichkeit. "Da treffen ja zwei Welten aufeinander. Die eine, unregulierte, Welt vertraut darauf, dass die Community jedes Problem lösen kann. Als Behördenvertreter sage ich aber aus Überzeugung, dass es sehr wohl, in welchen Mechanismen wir uns auch immer befinden, einen staatlichen Eingriff braucht."

Die E-Control als Regulierungsbehörde sei technologieneutral, betonte Urbantschitsch. "Wenn wir uns für eine Technik entscheiden würden, dann würde das bedeuten, dass wir andere benachteiligen." Wenn die E-Control die Blockchain regulatorisch beurteile, müsse sie aber immer ihre Ziele im Auge behalten, nämlich die Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit, Leistbarkeit und auch die Energieeffizienz.

Bilateraler Handel statt Broker

Viele Blockchain-Projekte im Energiebereich gebe es bereits beim Peer-to-Peer-Handel, berichtete Clemens Wagner-Bruschek, der als stellvertretender Abteilungsleiter Volkswirtschaft in der E-Control speziell auch für das Thema Blockchain zuständig ist. Im Großhandel gebe es ebenfalls einige Initiativen, an denen auch österreichische Unternehmen beteiligt seien.

"Dabei geht es darum, Börsen oder zentrale Broker zu umgehen und einen bilateralen Handel über eine Blockchain abzuwickeln." Dabei gehe es um die Vereinfachung von Prozessen und weniger um die Abrechnung über Kryptowährungen. "Die meisten Lösungen denken dabei auch das regulatorische Reporting mit, also eine Schnittstelle für den Regulator einzurichten. Der Regulator bekommt die Möglichkeit, direkt dort, wo die Unternehmen handeln, die Daten, für die er eine Zugriffsberechtigung hat, einzusehen."

"Ganz spannend – und da sind wir wieder beim Peer-to-Peer-Handel – ist das Thema Herkunftsnachweise", sagte Wagner-Bruschek. Wenn z.B. jemand auf seinem Dach Solarstrom erzeuge und ins Netz einspeise, könnte ein Smart Meter diese Einspeisung automatisch in eine Blockchain schreiben und mit einem Herkunftsnachweis versehen. Man könnte dabei auch einen Schritt weiter gehen: "Nicht nur die Nachricht ist inkludiert, 'das ist PV-Strom', sondern z.B. 'das ist PV-Strom aus dem Wiener Becken'", schilderte der Experte ein mögliches Anwendungsszenario.

Abwarten

Die Auswirkungen neuer Geschäftsmodelle wie des Peer-2-Peer-Handels seien schwer zu evaluieren, sagte Urbantschitsch, da sie fundamentale Regeln der Energiemärkte berühren würden. "Für eine effiziente Umsetzung des so oft angedachten Peer-2-Peer-Handels etwa wären das bestehende Bilanzgruppensystem und das Tarifmodell zu hinterfragen."

Dass der Blockchain-Einsatz viel Energie verschlinge, sei nur einer von vielen Mythen, sagte Wagner-Bruschek. Das sei zwar etwa bei der Kryptowährung Bitcoin der Fall, "bedeutet aber nicht, dass der Energieverbrauch für alle Blockchains so hoch ist. Vielmehr gibt es Alternativen zum Proof-of-Work-Konzept, die weit weniger energieintensiv ausfallen." (APA, 13.04.2018)