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Wahlveranstaltung für Djukanovic. Er trennte sich in den 1990ern von Slobodan Milosevic, führte sein Land 2006 in die Unabhängigkeit und 2017 in die Nato.

Foto: REUTERS/Marko Djurica

Podgorica/Sarajevo – Er war schon da, als George Bush senior und Franz Vranitzky regierten. Es gibt viele Montenegriner, die kennen nichts anderes als Milo, wie er von seinen Anhängern genannt wird.

Der großgewachsene Mann mit dem vorwurfsvollen Blick ist seit 1991 in dem Balkanstaat an der Macht. Und am Sonntag tritt Milo Djukanovic wieder einmal an, um Präsident zu werden. Er war bereits von 1998 bis 2002 Staatschef und von 1991 bis 1998 sowie von 2002 bis 2006, von 2008 bis 2010 und von 2012 bis 2016 Premierminister. Aber auch wenn er gerade weder das eine noch das andere Amt bekleidet, regiert er indirekt.

Denn er ist Chef jener Partei, die seit 1991 an der Macht ist, der Demokratischen Partei der Sozialisten, kurz DPS. Djukanovic kennt kein erwachsenes Leben außerhalb der Politik. Er trat bereits 1979 in die Kommunistische Partei ein, heute ist der 56-Jährige so etwas wie der Clan-Chef des wichtigsten Clans in dem Staat mit 640.000 Einwohnern. Seine Schwester Ana Kolarevic ist die wichtigste Anwältin im Land, sein Bruder Aco wichtigster Banker. In Montenegro gibt es praktisch keine Trennung zwischen Wirtschaft und Politik, und auch die Justiz ist von Interessen unterlaufen.

Bombenexplosion

Insbesondere die Freiheit der Medien ist in dem Land, wo jeder jeden kennt und schmutzige Kampagnen geführt werden, dauernd bedroht. Journalisten müssen damit rechnen, persönlich angegriffen zu werden. Anfang April explodierte eine Autobombe in Bijelo Polje in der Nähe des Hauses eines Journalisten. Ein zweites Problem ist die organisierte Kriminalität. In jüngster Zeit kam es in Montenegro wieder zu Abrechnungen rivalisierender Banden auf offener Straße. Innerhalb nur eines Monats flogen sieben Autos in die Luft. Vor zwei Wochen erschoss ein Mann zwei Leute in der Hauptstadt Podgorica.

Wie in allen anderen südosteuropäischen Staaten wählen die Bürger nicht Parteien oder Persönlichkeiten, weil sie vom Programm überzeugt sind oder sich Reformen erhoffen – im Gegenteil: Sie geben ihre Stimme ab, um Sicherheit zu erhalten, nämlich den eigenen Job in der Verwaltung, die Wohnung oder die Pension.

Viele Montenegriner werden deshalb am Sonntag auch aus Verlustangst Djukanovic die Stimme geben. Umfragen zufolge liegt er bei 43, sein Herausforderer Mladen Bojanic bei 35 Prozent. Die anderen vier Kandidaten haben keine Chance, allerdings könnten manche ihrer Wähler noch zu Bojanic umschwenken. Denn möglicherweise gibt es in zwei Wochen eine Stichwahl.

Djukanovic selbst porträtiert sich als Garanten für Stabilität und als prowestlich. Allerdings haben ihm die USA geraten, nicht noch einmal anzutreten. Dass er es trotzdem tut, wird von manchen als Indiz gewertet, dass er Angst vor Strafverfolgung hat. Herausforderer Bojanic ist Finanzexperte und war früher Menschenrechtsaktivist, er steht der prorussischen Opposition nahe. (Adelheid Wölfl, 14.4.2018)