Zum zweiten Mal in seiner Amtszeit hat Donald Trump nach einem mutmaßlichen Giftgasangriff des Regimes einen Militärschlag auf Syrien angeordnet – und, vor allem angesichts der Rhetorik des US-Präsidenten und den Antworten aus Moskau, stand eine Operation im Raum, die Russen und Amerikaner in eine direkte Konfrontation bringen könnte. Die Wiederholung des örtlich und zeitlich scharf begrenzten Schlags auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt vor fast genau einem Jahr erschien unwahrscheinlich, weil als Replik zahnlos. Eine Eskalation war zu erwarten. In den Chatrooms wurde schon quasi der 3. Weltkrieg beschworen. Diese Gefahr scheint abgewendet.

Die Eskalation wurde sozusagen auf qualitativem Weg erreicht, indem sich Großbritannien und Frankreich an den Luftschlägen beteiligt haben. Vom militärischen Gesichtspunkt sind diese hinter den von Trump gehypten Erwartungen zurückgeblieben. Die Ziele wurden ausgeweitet, standen aber mit dem Auslöser der Krise in Verbindung. Getroffen wurden – wenn denn alles stimmt, was man Stunden danach hört – Anlagen, die mit C-Waffen zu tun haben sollen. Wieder handelt es sich demnach um eine örtlich und zeitlich begrenzte Aktion, der Nachdruck kam von der Internationalisierung, der militärische Nutzen liegt im symbolischen Bereich. Und – auch das erschien im Bereich des Möglichen – iranische Einrichtungen wurden nicht angegriffen, Israel musste sich heraushalten.

Paris und London sind US-Partner in der Anti-IS-Koalition. Gemeinsam haben sie nun einen Punkt gemacht, dass anders, als es Trump während des Wahlkampfs gesagt hat, es auch für westliche Länder ein Interesse an Syrien gibt, das über die Bekämpfung des "Islamischen Staats" hinausgeht. Und man sollte auch den Giftanschlag auf die Skripals in London mitdenken, für den Russland verantwortlich gemacht wird. Syrien bot die Möglichkeit eines britischen Statements.

Russen durften nicht zu Schaden kommen

Man darf sicher sein, dass die Kommunikation zwischen amerikanischen und russischen Militärs auch diesmal nicht abgerissen ist. Russen durften nicht zu Schaden kommen. Zwar wurden in Syrien bereits Dutzende Angehörige einer russischen Sicherheitsfirma bei einem US-Luftangriff getötet, aber es wäre etwas ganz anderes, wenn russisches Militär – von der Regierung Syriens ins Lande geholt, wie die Russen stets betonen – betroffen ist. Wenn auch Trump regelmäßig außer Kontrolle gerät und Wladimir Putin alles zuzutrauen ist: Der heiße Draht zwischen den Militärs funktioniert, und das ist gut so.

Das zuvor zitierte Interesse des Westens an Syrien bleibt gleichzeitig natürlich eine Schimäre. Ja, der Einsatz gegen Massenvernichtungswaffen weltweit ist richtig und gut. Aber gerade im Fall Syriens, wo die Zahlen von Toten bei "konventionellen" Einsätzen, in den Gefängnissen des Regimes, durch Gewalttaten von extremistischen "Rebellen" in keiner Relation zu den Giftgastoten steht, hinterlässt der Aktionismus einen bitteren Geschmack.

Die politische Situation in Syrien, wo Bashar al-Assad den Krieg gewonnen hat, bleibt von den Angriffen unberührt. Es bleibt bei der Botschaft, dass die USA und ihre Verbündeten Syrien, wie es sich jetzt abzeichnet – eine russische entworfene neue Ordnung mit Assad, eine starke iranische Präsenz zum Ärger Israels –, nicht so haben wollen. Diesmal wurde ein Pfeiler des Triangels, das Regime, angegriffen, das nächste Mal kann es der Iran sein. Unten am Boden gibt es eine Allianz – das Assad-Regime, Russland, Iran –, oben in der Luft gibt es eine andere.

Unmittelbar wird der Militärschlag von Samstag früh erst einmal nichts ändern. Die Militärschläge waren ein Lebenszeichen der politisch Abwesenden, der USA und der Europäer, die von der Gestaltung der Zukunft Syriens im Moment abgemeldet sind. Aber die Drohung für die Zukunft wird in Moskau dennoch wahrgenommen werden. (Gudrun Harrer, 14.4.2018)