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Die Pharmafirma Novartis wurde bereits Opfer einer Farbattacke der Gruppe Rubikon.

Foto: REUTERS/Costas Baltas

Nach Büroschluss kommen die Vermummten. 15 bis 20 sollen es vergangene Woche gewesen sein. Auf die Fassade des türkischen Generalkonsulats in Athen warfen sie am Abend rote Farbbeutel und fuhren dann auf ihren Motor rädern davon. Auch am Montagmorgen hat Rubikon wieder zugeschlagen. Am Montagmorgen griff die Gruppierung eine Druckerei im Athener Norden an, zertrümmerte Fensterscheiben, dann flogen wieder die die üblichen roten Farbbeutel. Als Begründung wurde angegeben, drei Arbeiter des Unternehmens seien wegen gewerkschaftlicher Tätigkeiten entlassen worden.

Bemerkenswerter aber sind die Heimsuchungen während der Bürozeiten. Denn Griechenlands aktuell bekannteste Anarchistengruppe macht vor nichts und niemanden Halt: Botschaften, Ministerien, Unternehmenszentralen, Notariatskanzleien, die Privatisierungsbehörde oder Banken. Der Rubikon ist überschritten. Statt Theoriedebatten im Café wird das Bürgertum erschreckt.

Verschiedenste Motive

Mal geht es gegen den Imperialismus, mal gegen Monopol und Ausbeutung. Im Fall des türkischen Konsulats war es der Krieg gegen die syrischen Kurden in Afrin. Die Glastüren des Eingangs zu Novartis Hellas, dem griechischen Tochterunternehmen des Pharmariesen, zertrümmerte Rubikon wegen des Skandals um angebliche Bestechungen und Preismanipulationen bei Arzneien, der derzeit in Griechenland wogt.

Die Erklärung wird auf einschlägigen Websites im Internet nachgereicht oder gleich vor Ort massenweise in die Luft geschleudert. "Wir werden nicht wie Sklaven leben. Wir werden nicht als Bettler alt werden", stand auf Flugblättern, die Rubikon beim Einmarsch ins griechische Innenministerium in Athen im vergangenen März hinterließ. Es ist eine der Losungen der Anarchisten gegen die Sparpolitik des griechischen Staats. Auch die Sicherheitskontrollen im Verteidigungsministerium und im Parlament in Athen überwanden die jungen Anarchisten ohne große Mühe.

Noch kein Terror

Die Grenze zum Terror habe Rubikon bisher nicht überschritten, anders als die ebenfalls junge Gruppe "Verschwörung der Feuerzellen" mit ihren Briefbomben, so sagt Roman Gerodimos, ein Politikprofessor, der auf die griechische Aktivistenszene spezialisiert ist. Rouvikonas, wie die Gruppe auf Griechisch heißt, bewege sich im Bereich von zivilem Ungehorsam und Anarchismus, erklärt Gerodimos. "Aber sie haben definitiv immer wieder das Gesetz gebrochen und systematisch Gewalt angewendet, die mittlerweile ein fast alltägliches Phänomen geworden ist."

Zwölf mutmaßliche Mitglieder von Rubikon stehen nun vor einem Athener Gericht. Die Anklage beschränkt sich auf Sachbeschädigung und Ordnungswidrigkeiten. Kritiker werfen der linksgeführten Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras allzu große Nachsicht gegenüber den Anarchisten vor. Dabei war die Besetzung der Parteizentrale von Syriza im März 2015, kurz nach dem Wahlsieg der Linksradikalen, die erste Tat, mit der Rubikon bekannt wurde.

Den Elan der Rubikonisten hat das Gerichtsverfahren gegen ihre Gesinnungsfreunde jedenfalls nicht gebremst. Tempo und Dreistigkeit der Aktionen von Rubikon verblüffen selbst die an Protest und Krawall gewöhnten Griechen in der Hauptstadt. 43 Angriffe zählte die Polizei allein im vergangenen Jahr. Auf wenige hundert wird die Zahl der Mitglieder von Rubikon geschätzt. Doch der Kreis der Sympathisanten unter den jungen Griechen dürfte weit größer sein.

Öffentliche "Interventionen"

Oft gibt es auch ein Video zu diesen von Rubikon als "Interventionen" betitelten Aktionen auf Youtube zum Herunterladen und Weiterteilen. Rouvikonas lebt von der Öffentlichkeit. So sieht man etwa den Einmarsch in die Zen tralen der staatlichen Versorgungsbetriebe für Strom und Wasser in Griechenland, einschüchternde Besuche im Büro eines Spitalsarzts, der Schmiergeld von Patienten verlangt haben soll und der von Rubikon zur Rede gestellt wird, oder – unlängst erst – beim Manager eines griechischen Baukonzerns, wo ein Arbeiter möglicherweise durch Fahrlässigkeit ums Leben gekommen war.

Als eine Art neuer Robin Hood im Griechenland der Dauerkrise wird Rubikon hier und da porträtiert. Gerodimos hält davon wenig. "Rubikon nimmt nicht von den Reichen, um den Armen zu geben. Besetzung öffentlichen Eigentums und Vandalismus bürden den Steuerzahlern eine erhebliche Last auf", erklärt der Politikwissenschafter. (Markus Bernath, 16.4.2018)