Syrische Soldaten hielten am Wochenende nach den Luftschlägen der USA, Frankreichs und Großbritanniens die Schäden an militärischen Forschungseinrichtungen fest.

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Die Raketenangriffe trafen die Regionen um Damaskus und Homs.

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Wien/Damaskus – Ganz ruhig war es auch am Tag danach nicht: Während die USA am Sonntag mit neuen Angriffen auf Syrien drohten, wurden von einer Armeebasis nahe Aleppo Explosionen gemeldet. Russland übte indes heftige Kritik am Einsatz der Allianz aus den USA, Frankreich und Großbritannien, die in der Nacht auf Samstag mehrere Angriffe auf Ziele in Syrien durchgeführt hatte. Eine russische UN-Resolution gegen den Angriff scheiterte.

Frage: Was war das genaue Ziel der Angriffe?

Antwort: Das US-Verteidigungsministerium gab an, drei Anlagen des mutmaßlichen syrischen Chemiewaffenprogramms getroffen zu haben: ein Forschungszentrum in Barzeh in Damaskus und zwei Chemiewaffenlager bei Homs. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London bestätigt nur den Angriff auf Barzeh, meldet aber Angriffe auf drei weitere Ziele in der Umgebung der Hauptstadt Damaskus: nämlich auf eine Forschungseinrichtung in Jamraya und zwei Waffenlager in Al-Mazza und Al-Kiswah. Außerdem seien Explosionen in Qalamoun nördlich von Damaskus zu hören gewesen.

Frage: Russland wollte die Raketen abschießen. Ist das gelungen?

Antwort: Dazu gibt es sehr unterschiedliche Angaben. Nach Aussagen Moskaus wurden Raketen abgefangen, die sich gegen einen Militärflughafen gerichtet hätten. Syriens Präsident Bashar al-Assad ließ mitteilen, es seien noch viel mehr Angriffe vereitelt worden. Dagegen hieß es aus den USA, die syrische Luftabwehr sei zum Zeitpunkt der Angriffe gar nicht aktiv geworden – womöglich um eine Konfrontation zwischen den USA und Russland unwahrscheinlicher zu machen.

Frage: Sind damit alle Chemiewaffen in Syrien zerstört?

Antwort: Davon ist nicht auszugehen. Auch die westliche Koalition teilte am Samstag lediglich mit, Assads Fähigkeiten zur Produktion von Chemiewaffen seien "deutlich verringert" worden. Sehr wahrscheinlich gibt es neben den getroffenen Zielen auch weitere Produktionsstätten.

Frage: Wieso gab es überhaupt Chemiewaffen? Sollten sie nicht 2013 alle zerstört worden sein?

Antwort: Spezialisten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) haben nach eigenen Angaben seit 2013 alle C-Waffen in Syrien zerstört, die die Regierung gemeldet hatte. Russland hatte für die Vollständigkeit der Listen garantiert. Denkbar ist, dass das nicht der Fall war – oder dass neue produziert wurden. Laut den USA dürfte es sich zuletzt um Sarin und Chlorgas gehandelt haben. Tödlich können beide sein, doch der Unterschied ist bedeutsam: Sarin wäre von der C-Waffen-Vernichtung betroffen, Chlorgas nicht. Letzteres ist leicht herzustellen, Chlor steht wegen seiner zahlreichen Anwendungen in der Industrie auf keiner Verbotsliste.

Frage: Sind die Angriffe legal?

Antwort: Wohl nicht. Das Völkerrecht erlaubt keine Bestrafungen und keine Einsätze in souveränen Staaten ohne UN-Beschluss. Ob Ausnahmen zulässig sind – Russland und der Iran betrachten sich in Syrien als eingeladen –, ist umstritten. Die Koalition sagt, man wolle Damaskus zwingen, die Chemiewaffenkonvention einzuhalten, was wegen der Blockade der Uno nicht anders möglich sei.

Frage: Was sagt die Uno dazu?

Antwort: Im Sicherheitsrat gibt es keine Einigkeit. Resolutionen zur Verurteilung des mutmaßlichen C-Waffen-Einsatzes scheiterten ebenso wie in der Nacht auf Sonntag eine russische Resolution zur Verurteilung der Militärschläge. Nur China, Russland und Bolivien stimmten dafür. Acht Staaten waren dagegen, vier enthielten sich.

Frage: In den USA gibt es weitreichenden Konsens über den Einsatz. Wie sieht es in Europa aus?

Antwort: Von Einigkeit ist jedenfalls keine Rede. Umfragen sehen in Großbritannien und Frankreich Mehrheiten gegen den Einsatz. Der britische Oppositionschef Jeremy Corbyn etwa übt heftige Kritik. Premierministerin Theresa May hätte die Erlaubnis des Parlaments einholen sollen, so der Labour-Politiker. Frankreich drängte am Sonntag auf Diplomatie für ein Ende des Bürgerkriegs.

Frage: Was macht Deutschland?

Antwort: Berlin hält sich zurück – aus innenpolitischen Gründen. Gleich zum Auftakt einen Kriegseinsatz, das will die große Koalition nicht. Außerdem ist eine Mehrheit der Deutschen gegen eine Beteiligung. Vier von fünf Bürgern sind dagegen, ergab eine Civey-Umfrage für die Zeitung "Welt".

Frage: Warum unterstützt Angela Merkel dann den Einsatz?

Antwort: Dass sie zumindest im Geiste an der Seite der USA, Großbritanniens und Frankreichs steht, zeigt ihre Reaktion. Sie nannte die Angriffe "erforderlich und angemessen". Deutschland will nicht abseits stehen. Anders als 2011: Damals hatte sich Berlin im UN-Sicherheitsrat enthalten, als es gegen Libyen ging. Deutschland sei aber nicht ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, insofern müsse es keine Interventionen mitmachen, argumentiert sie heute.

Frage: Was sagen arabische Staaten?

Antwort: Beim Gipfel der Arabischen Liga im saudi-arabischen Dhahran, keine 24 Stunden nach dem Angriff, war die Beurteilung unterschiedlich. Mehrere Golfstaaten begrüßten den Angriff, andere – etwa Ägypten – waren aus Sorge um die Stabilität in der Region dagegen.

Frage: Angeblich gab es Samstagnacht noch einen weiteren Luftangriff. Was ist da passiert?

Antwort: Samstagabend kam es zu einer heftigen Explosion auf einer iranischen Militärbasis im Süden Aleppos. Damaskus sprach von einem Unfall, andere vermuteten einen Raketenangriff Israels. Schon am vergangenen Montag hatte Israel allem Anschein nach einen Angriff auf die Basis Tiyas geflogen. (Birgit Baumann aus Berlin, Sebastian Borger aus London, Manuel Escher, Astrid Frefel aus Kairo, Anna Sawerthal, 15.4.2018)