Kommunikationswissenschafterin Franzisca Weder.

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Nachhaltigkeit in den Medien: Auf den ersten Blick ein Buzzword, ziemlich abgelutscht. Eine Worthülse, und dabei schon fast ein Reizwort, das viel zu unüberlegt eingesetzt wird – in der Politik sowieso, aber auch in den Medien. Nachhaltigkeit ist fast schon eine öffentliche Meinungsblase. Eine Filterblase, in der wir uns gegenseitig in unserem Ärger über Plastikverpackungen und die Verschmutzung der Meere oder in unserem Veganismus bestätigen.

Doch leider fehlt es an einer tatsächlichen Nachhaltigkeitskommunikation in den Medien. Immer wieder zwar tauchen die großen Nachhaltigkeitsthemen auf, E-Mobility, Palmöl, Rinderzucht, aber auch Holz-, Öl- oder Wasserversorgung und Knappheitsrisiken. Der Klimawandel ist dabei quasi eine Entwicklung im Hintergrund. Es fehlt aber zumeist die kritische Auseinandersetzung mit den komplexen Zusammenhängen, in denen beispielsweise Überflutungen stehen. Und andere Themen wie Migration werden erst gar nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht, obwohl jene ja ein Symptom des "nicht nachhaltigen" menschlichen Handelns ist.

Nachhaltigkeit bleibt "öko"

Nachhaltigkeit ist und bleibt irgendwie "öko" – sie wird heute sogar zunehmend als "Öko-Schmäh" verachtet, wie der neue Film von Werner Boote anprangert. Wir fühlen uns durch die Werbung moralisch korrumpiert, wie Stephen Gardiner in seinem Buch "A Perfect Moral Storm" beschreibt. Kommunikationsspezialisten helfen uns dabei, dass wir uns bei der Wahl der Bananen, des Joghurts oder auch des "Weniger-Verbrauch-Autos" in moralischer Prokrastination üben. À la: Ich fliege zwar für eine Woche all inclusive nach Ägypten, aber dafür war ich ja am Samstag mit dem Fahrrad auf dem Markt einkaufen. Auf die Spitze getrieben wird der moralinsaure Charakter der Nachhaltigkeit dann nur noch durch die Umwidmung einer grünen Politikerin zur Cheflobbyistin der Spieleindustrie unter einem CSR-Deckmantel, wie kürzlich in Wien in geschehen.

Bei genauerer Betrachtung und Literaturrecherche ist Nachhaltigkeit eher als Querschnittsmaterie zu begreifen – und das macht sie so schwer greifbar. Nachhaltigkeit ist ein Handlungsprinzip, welches ähnlich wie Geschlechtergerechtigkeit in unterschiedlichsten Bereichen eine Rolle spielt, quasi eine übergeordnete Reflexionsebene bildet. In medien- bzw. kommunikationswissenschaftlichem "wording" wäre das ein sogenannter Masterframe, ein Deutungsmuster, auf das in unterschiedlichen Kontexten Bezug genommen wird.

Eine Journalistenbefragung aus dem Jahr 2009 und eine Vergleichsstudie aus den letzten Monaten (2017/2018), eingebettet in ein Projekt an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt (F. Weder & L. Krainer), zeigt die zentralen Barrieren, aber auch die Potenziale für eine nachhaltige Bearbeitung der Nachhaltigkeitsthematik in den Medien. An ihre Grenzen stoßen Journalist*innen demnach vor allem bei den folgenden Punkten:

  • Das Thema Nachhaltigkeit ist per se ein auf Langfristigkeit angelegtes Denkprinzip. Es geht um gesellschaftliche und vor allem kulturelle Transformationsprozesse. Und dabei gibt es keine einfache und vor allem keine kurzfristige Lösung für Probleme wie Ressourcenausbeutung, übermäßigen Einsatz von Plastik und Mikroplastik oder auch unser Mobilitätsbedürfnis.
  • Ein Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung und einem höheren Bewusstsein für soziale und umweltbezogene Herausforderungen liegt vor allem im lokalen Bereich. Auch Ideen und Projekte, Nachhaltigkeit nicht innerhalb des Kapitalismus, sondern als Alternative zu ebendiesem zu denken, haben zumeist einen (hyper)lokalen oder maximalen regionalen Bezugspunkt, wie die Eröffnung eines verpackungsfreien Geschäfts in Graz oder ein Urban-Gardening-Projekt in Klagenfurt. Doch damit in Verbindung stehende Veränderungsprozesse wie der Klimawandel haben gleichzeitig eine globale Dimension.
  • Die quantitativ betrachtet häufigste Nachhaltigkeitskommunikation kommt von Unternehmen und politischen Institutionen. Hier wird Nachhaltigkeit oftmals als Vehikel für andere Marketing- und Kommunikationsziele eingesetzt. Viel kritischer in dem Medien zu reflektieren wäre die bereits oben angesprochene moralische Korruption, die Bestechung durch einen Autohersteller, der uns mit einem "grünen Auto" lockt, das viel weniger verbraucht und an der Ampel seinen Motor abstellt. Die "inconvenient truth" dahinter ist nämlich, das Autos per se negative Auswirkungen auf unser Klima haben – in Bezug auf ihre Emissionen und ihre Produktion.
  • Mediale Konvergenz und unsere eigenen Filterblasen in den sozialen Medien verstärken die genannten Barrieren. Auch Journalisten, die in Bezug auf die von ihnen erwarteten Kritik-, Orientierungs- und Informationsfunktionen Objektivität postulieren, sind beim Thema Nachhaltigkeit vor die Herausforderung gestellt, dass die eigenen Werte einen Einflussfaktor darstellen – und das ist meines Erachtens auch gut so.

Das Thema Nachhaltigkeit fordert Journalisten also offenbar heraus, eben gerade nicht einer nicht zu realisierenden Objektivität hinterherzulaufen. Ich möchte unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Journalistenbefragung abschließend die folgenden drei Potenziale und damit auch Forderungen für Nachhaltigkeitsjournalismus formulieren:

  • 1) Überwindung der selbst postulierten Objektivität mittels Subjektivität. Nachhaltigkeitsberichterstattung folgt nicht den gleichen Regeln wie Wissenschaftsjournalismus. Es geht zwar sicherlich auch um die Reduktion von Komplexität, aber Subjektivität und das Aufdecken normativer Überhöhung erscheint viel wichtiger. Revoluzzer sind gefragt, junge Journalist*innen, die Dinge einmal anders denken, die kritisch reflektieren.
  • 2) Kleinteiliger Journalismus ist gefordert. In anderen Worten: Nachhaltigkeit ist wie ein Puzzle zu verstehen und zu bearbeiten: hier eine Geschichte zu einem Lösungsvorschlag, dort ein Bericht zu einem Phänomen, hier ein Youtube-Film und dort eine Hintergrundreportage. Nachhaltigkeit kann nicht als Gesamtphänomen behandelt werden. Aber die Summe aus den Berichten zu Lösungen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung könnte die Alternative sein. Transmediales Erzählen eben.
  • 3) Potenzial der Lokalmedien nutzen, das Print-Produkt, aber auch deren Online-Portale bzw. Auftritt in den sozialen Medien neu denken. Nach wie vor berühren uns die lokalen Themen, besticht die die Berichterstattung über die Überschwemmung, aber auch die Eröffnung des ersten verpackungsfreien Ladens in unserer Stadt durch den Nachrichtenwert Nähe. Auf lokaler Ebene, an den kleinteiligen Beispielen und im Gespräch mit den Menschen vor Ort lässt sich aber auch mit kritischen Reflexionen leichter beginnen, bevor man in eine Systemkritik verfällt.

Bei Nachhaltigkeit ist es also vielleicht gerade das kleinteilige, durchaus subjektiv geprägte Hintergrundrauschen in den Medien, das zu einer Veränderung unseres gesellschaftlichen Normengefüges führt. Das Puzzle aus kleinteiligen Geschichten, das Nachhaltigkeit von einem soziopolitischen Konzept zu einem Leitwert gesellschaftlichen, politischen, aber auch individuellen Handelns und kritischen Denkens macht. Und dafür braucht es einen kritischen und durchaus revolutionären Journalismus. (Franzisca Weder, 26.4.2018)