Wien – Man kann mit Fug und Recht behaupten, Franz Xaver Bogner hat Christine Neubauer erfunden. 1986 drehten die beiden die Serie "Irgendwie und Sowieso" und erstmals zusammen, da war er 37, sie 24. Es lief "fei guad", wie der Bayer zu sagen pflegt, und so wurde Neubauer Stammgast in Bogners bajuwarischem Seriensammelsurium: Von 1990 bis 2003 im Café Meineid, in München 7 von 2003 bis 2005 und dann noch einmal 2011, 2016 in Monis Grill und jetzt, ab 20. April in sechs Folgen von München Grill im BR.

Da spielt Christine Neubauer die fuchtige Köchin Toni, die mit ihrer ebenso fuchtigen, aber ungeliebten Partnerin, der Fanny (Christine Exenberger), ein Grill-Restaurant führt und à la Grace and Frankie in liebevoller Verachtung aneinander gekettet sind, was Raum für allerhand unterhaltsame Unfreundlichkeiten schafft.

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Dass die Toni eine "Gestandene" ist, ist Bogner wichtig, und so sieht sich Neubauer selbst auch gern. Die Rolle sei ihr auf den Leib geschrieben, sagt Neubauer im Gespräch mit dem STANDARD: "Mein bayerischer Dialekt darf in dieser Serie mit einer Urgewalt rauskommen."
Das war nicht immer so, denn in den Nullerjahren war Neubauer im Fernsehen ungefähr das, was Helene Fischer für die Schlagerwelt war: Eine Art Spielautomat, aus dem verlässlich die gleiche Nummer herauskam – im Fall von Neubauer das endlose Lied um das Liebesleid. Mit frontalen Attacken auf die Schmerzmuskeln ließ sie ihr Millionenpublikum schmachten.

Sie war das "Vollweib"

Ihre Figuren hießen Die Landärztin, Die Holzbaronin, Die Pastorin und meistens ging es sehr schemaartig darum, dass eine Frau durch verschiedene Stufen emotionalen Leids musste, bevor sie sich nach endlosem Ringen am Ende doch mit dem einzig wahren Manne vermählen durfte. Irgendwann war Neubauer nur noch "das Vollweib".
Unter dem Titel vermarktete sie sich selbst, von und mit ihm konnte sie gut leben. "Ich bin mit Leib und Seele Schauspielerin, und ich habe immer dafür gekämpft, dass sich die Rollen entwickeln, damit es unterschiedliche Figuren sind", sagt Neubauer. Mit dem Ergebnis ist sie aber im nachhinein zufrieden: "Wenn man ,meine' Filme ansieht, ist das auch ganz gut gelungen. Leider gibt es das in dieser Form heute nur noch ganz selten, was ich wirklich schade finde."

Von der Kritik wurde sie hingegen belächelt. Dass die Kunst des Trivialen nicht minder harte Arbeit erfordert, wurde selten goutiert. Schmerzte das? "Natürlich hat das etwas ausgemacht", sagt Neubauer. "Weil die Kritik in meinen Augen nicht gerechtfertigt war." Und so übt sie Kritik an den Kritikern: Journalisten würden voneinander abschreiben, was sie "verletzend" findet: "Man sollte schon einmal genauer hinschauen und nicht alles über einen Kamm scheren." Immerhin habe sie Preise bis nach Korea eingeheimst: "Dort sahen sie mich zum ersten Mal und ohne Vorurteile und gaben mir einen Preis als beste Schauspielerin", sagt Neubauer.

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In "München Grill" geht es, wie in allen Bogner-Serien, um die Stadt und ihre Menschen, die er voller Typen sieht – Stenz, Schlawiner, liebenswürdige Verlierer, schrullige Alte, bauernschlaue Landespolitiker, verliebte Polizisten und die Damen, die Elfi, Fanny oder Toni heißen sie: "Franz Xaver Bogner liebt die Frauen", sagt Neubauer. "Gott sei Dank." Gehuldigt wird den guten alten Zeiten, mit Maß Bier, Weißwürsten und dem herben Charme seiner Bewohner: Nostalgie, die mitunter recht handgreiflich eingefordert werden kann, wenn die Fanny mit dem Vorschlaghammer auf einen Laptop drischt – selbstverständlich zum Wohl aller.

Bei Bogner durfte Neubauer schon immer mehr "Urviech" sein als das "Vollweib" in den Trieffilmen. Heute produziert die ARD Degeto andere Filme fürs Herz, es geht direkter ans Eingemachte, der Umweg über die Schiene "Frau-Werdung" wird erspart. Für Neubauer hieß es, sich neu zu orientieren: "Ich wollte diesen Schnitt und andere Filme machen, die vielleicht auch anders wahr genommen werden, wobei es mir darum geht, dass ich mich als Schauspielerin in meinem Spiel immer noch weiter entwickeln kann. Wenn ich die Leidenschaft nicht mehr habe, dann höre ich auf." Dazu kam eine Krankheitsdiagnose: Neubauer leidet am unheilbaren Morbus Bechterew, einer chronisch-entzündlichen rheumatischen Erkrankung, die sie aber im Griff hat: "Mir geht es hervorragend, weil das beste Medikament ist Bewegung."

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Auf die Rolle der Toni hat sie sich gründlich vorbereitet: "Ich hatte drei Nächte bei Alfons Schuhbeck Kochtraining, wo ich die Abläufe in einer Großküche und das Naturell von Köchen studiert habe: Man darf da nicht zimperlich sein. Es gibt klare Ansagen, effiziente Handgriffe und Bewegungen."

Und sie baut sich gerade ein zweite Karriere auf, zweifellos eine Ebene spezieller: Im Sommer reitet sie beim Karl-May-Festival in Bad Segeberg. Immerhin mit neuen Erfahrungen: Neubauer sitzt nicht nur am Pferd, sie ist die Böse: "Ich schieße jemandem in den Rücken, das ist wirklich sehr, sehr gemein." Herrschaftszeiten! (Doris Priesching, 20.4.2018)