Die Journalisten Jean-Jacques Bourdin (re.) und Edwy Plenel stellten Emmanuel Macron am Sonntagabend im TV drei Stunden lang harte Fragen.

Foto: APA / AFP / Francois Guillot

Der Staatschef reagierte angriffslustig, zum Teil aber auch indigniert.

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Die Eingangsfrage gibt den Ton vor: "Sind Sie bloß ein Zauberkünstler, der aus dem Nichts der Geschichte aufgetaucht ist?", will der bekannte Radiointerviewer Jean-Jacques Bourdin von Emmanuel Macron wissen. Das ist schon fast ein Affront gegen den Staatspräsidenten, der in Frankreich einen quasimonarchischen Status genießt und bisher wie durch eine unsichtbare Aura gegen freche Journalistenfragen gefeit war. Jetzt lässt Bourdin das obligate "Monsieur le Président" beiseite und nennt Macron nur beim bürgerlichen Namen. Um schon die nächste Frage loszulassen: "Unterliegen Sie nicht einer kindlichen Allmachtsfantasie?"

So ging es am Sonntagabend fast drei Stunden auf dem TV-Sender BFM. Macron hatte das Interview selbst anberaumt, um seine zunehmend umstrittene Reformpolitik zu rechtfertigen. Am Donnerstag hatte er in einer kleinen Dorfschule ein TV-Interview gegeben, um Volksnähe zu demonstrieren. Doch die Sozialproteste im Land reißen nicht ab: Eisenbahner streiken wochenlang, Studenten blockieren Universitäten, an den Spitälern gärt es, und in Notre-Dame-des-Landes leisten Öko-Ultras seit Tagen gewaltsam Widerstand gegen die polizeiliche Räumung einer unerlaubt errichteten Siedlung.

Harte Fragen zu Syrien

Knapp ein Jahr nach seiner Wahl ist der Präsident gleich an mehreren Fronten gefordert. Doch der 40-Jährige nimmt den Fehdehandschuh auf – zumal im Fernsehinterview. Nein, er könne kein Geld aus dem Ärmel zaubern, entgegnet er. Und nein: "Ich habe keine Allmachtsfantasie, aber ich glaube an Autorität, und ich halte meine Wahlversprechen ein."

Der zweite Journalist, Edwy Plenel vom linken Enthüllungsportal "Mediapart", doppelt nach: "Wo bleibt die völkerrechtlichte Legitimität des von der Uno nicht genehmigten Militäreinsatzes in Syrien?" Oder: "Warum folgt Frankreich folgsam der Kriegsstrategie Trumps, dem es vor allem um eine Attacke gegen den Iran geht?"

Macron kontert, der Luftschlag sei sowohl militärisch wie diplomatisch ein Erfolg: "In Moskau denkt man, die westlichen Regierungen seien Schwächlinge. Wir haben gezeigt, dass wir zu reagieren wissen. Außerdem haben wir Russland und die Türkei gespalten."

Journalistenschelte vom Staatschef

Doch schon unterbricht Plenel den Staatschef: "Warum beschließen Sie einen Militärschlag im Alleingang, ohne das Parlament zu befragen?" So sehe es nun einmal die Verfassung vor, erwidert Macron: "Ich bin als Präsident oberster Armeechef." Da hat Plenel schon in die Innenpolitik gewechselt: "In Paris steht der 50. Jahrestag des Mai '68 vor der Tür – und Sie feiern das mit polizeilicher Repression?"

Nun sich lässt sich auch Macron gehen: "Die Eisenbahner haben andere Anliegen als die Krankenschwestern oder die Studenten. Wenn Sie das Gegenteil behaupten, sind Sie intellektuell unredlich." Dann unterstellt er Plenel, der auf "Mediapart" die Mächtigen und die Minister bloßstellt, selber bei den Steuern gemogelt zu haben. Der Angesprochene schießt zurück: "Die Franzosen haben Sie 2017 nur gewählt, um die Extremistin Marine Le Pen zu verhindern." Macron: "Ist das eine Frage oder ein Plädoyer?" Plenel: "Regen Sie sich nicht auf!" Macron: "Hören Sie auf, Dummheiten zu sagen. Sie sind nicht seriös, Herr Plenel."

Sorgen um die Zukunft Frankreichs

Schlag folgt auf Schlag. Bis weit nach 23 Uhr wogt der rhetorische Boxkampf. Macron, energisch, schlagfertig, angriffslustig, ist in seinem Element. Im Mai 2017 hatte er im entscheidenden TV-Wahlduell auf diese Weise Le Pen zerzaust. Vielleicht deshalb hat er nun die beiden Streithähne Bourdin und Plenel zum Interview aufgeboten. "Ich gehe dem Konflikt nicht aus dem Weg", sagt er selbst einmal in einem Nebensatz.

Die Reaktionen der Franzosen waren am Montag geteilt. Wenige loben Macrons Redekunst und Beherrschtheit. Auf dem Radiosender France-Inter hörte man aber auch: "Ein Präsident muss den Franzosen nicht nur mit Autorität kommen, sondern auch mit der menschlichen Wärme des gütig-beschützenden Landesvaters. Macron argumentiert hingegen wie ein brillanter Technokrat." In der Zeitung "Le Figaro" meinte eine Leserin: "Der Präsident ist überzeugt, recht zu haben, und wollte seine intellektuelle Überlegenheit unter Beweis stellen. Damit steigert er aber nur noch die Unzufriedenheit all jener, die seine Strategie nicht verstehen."

Wenn es Macron darum ging, an der Dorfschule und auf der TV-Bühne "nahe bei den Leuten" zu erscheinen, wie seine Kommunikationsberater erklärten, dürfte die Operation missglückt sein. Ungewollt machte der heftige Schlagabtausch nur klar, wie gespannt die soziale Lage in Frankreich mittlerweile ist. "Ich mache mir Sorgen um die Zukunft Frankreichs", beschloss die "Figaro"-Leserin ihren Beitrag. (Stefan Brändle aus Paris, 16.4.2018)