Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley kündigte die neue Sanktionsrunde gegen Russland am Wochenende an. Moskau arbeitet an Vergeltungsmaßnahmen.

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Washington übt sich in der Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Hatten die USA am Samstag noch Syrien mit Raketen angegriffen, weil sie Staatschef Bashar al-Assad für einen Chemiewaffenangriff in der Stadt Douma auf Rebellen und Zivilbverölkerung verantwortlich machen, knöpfte sich am Sonntag Washingtons UN-Vertreterin Nikki Haley Assads stärksten Verbündeten Russland vor. Sie drohte Moskau neue Sanktionen für die Unterstützung Assads an.

Während Russland nach wie vor eine Giftgasattacke in Syrien bestreitet, vergiftet die neue Sanktionsankündigung bereits das Börsenklima in Moskau. Am Montagmorgen gerieten sowohl der Rubel als auch russische Aktien deutlich unter Druck. Immerhin konnte sich die Börse nach anfänglichen Schwierigkeiten etwas aufrappeln, was vor allem am Ölpreis liegt. "Ohne Öl würde der Rubel jetzt wahrscheinlich in den unaufhaltsamen Absturz gehen, so aber haben die Investoren nicht allzu stark auf den Raketeneinschlag reagiert und warten, wie sich die Ereignisse weiter entwickeln", kommentierte der Börsenanalyst von Rikom-Trust, Oleg Abeljew, die Entwicklung am Montag.

Deripaska-Konzern verlor ein Drittel des Börsenwerts

Trotzdem ist die Unsicherheit weithin spürbar. Einer der größten Verlierer am Montag war erneut der auch in Österreich aktive Oligarch Oleg Deripaska, dessen Konzern Rusal an der Börse in Hongkong weitere 30 Prozent verlor und einen historischen Tiefstwert verzeichnete. Seit dem IPO ist die Marktkapitalisierung auf ein Achtel (2,7 Milliarden Dollar) gesunken. Die US-Sanktionen treffen den Aluminiumriesen empfindlich. Die Aufnahme in die schwarze Liste bedeutet nicht nur den Verlust westlicher Kreditgeber, sondern auch westlicher Absatzmärkte.

Diese Drohung schwebt wie ein Damoklesschwert auch über anderen international agierenden russischen Konzernen, zumal sich das US-Finanzministerium zuletzt nicht besonders darum scherte, welcher der Oligarchen besonders kremlnah ist und wer versucht, sich von der Politik fernzuhalten. So ist bei weitem nicht ausgemacht, dass sich die neue Sanktionsrunde auf Chemieunternehmen – angeblich geht es ja um eine Strafe für den Giftgasangriff – beschränken wird. Als ein Kandidat für die schwarze Liste gilt so der Lkw-Produzent und Daimler-Partner Kamaz, der zu der vom Putin-Vertrauten Sergej Tschemesow geleiteten Industrie- und Rüstungsholding Rostec gehört.

Russland will auf US-Medikamente verzichten

Auch Moskau aktiviert seine Sanktionsanstrengungen: Bereits am Freitag war in der Duma eine Gesetzesinitiative eingegangen, die die jüngsten US-Sanktionen beantworten soll. Darin hatten die Abgeordneten ein Verbot für die Einfuhr von Alkohol und Tabak, aber auch von Medikamenten gefordert. Behörden sollen zudem auf ausländische Software und Konzerne auf amerikanische Manager und Spezialisten verzichten. Die Kooperation im Atomsektor, der Luft- und Raumfahrtbranche sowie im Motorenbau soll eingestellt, Consultingdienstleister, Auditoren und Anwaltskanzleien aus den USA ausgesperrt werden.

Vizepremier Arkadi Dworkowitsch begrüßte am Montag den von der Duma vorgeschlagenen Maßnahmenkatalog. "Wir müssen ein Arsenal an möglichen Reaktionen haben. Das Gesetzesprojekt gibt der Regierung ebenjenes Instrumentarium an die Hand, sollte das notwendig sein", sagte er. Das russische Außenministerium forderte gar mehr "Dynamik" bei der Umsetzung der Gegenmaßnahmen.

Kritik an dem Projekt wischen die Befürworter teils harsch zur Seite. So klagte in einer TV-Talkshow der liberale Politiker Boris Nadeschdin, dass das Verbot der Medikamenteneinfuhr vor allem russischen Patienten schaden würde. Auch er sei auf Mittel angewiesen, die "der potenzielle Gegner" herstelle, sagte er. Woraufhin ihm Pjtor Tolstoi von der regierenden Partei Einiges Russland riet: "Spucken Sie die Tabletten aus, und nehmen Sie Weißdornextrakt." (André Ballin aus Moskau, 16.4.2018)