Die Austria ist mit mehr als 50 Hausverboten der diesbezügliche Spitzenreiter der Liga. Darauf kann sie stolz sein – oder auch nicht.

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Vermummte samt Pyro im dichtesten Rapid-Block – der Verein mit den meisten Fans hat auch die meisten Verhaltensauffälligen.

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Wien – Zur Abwechslung an einem sonnigen Nachmittag mit den Kindern ins Ernst-Happel-Stadion gehen und sich das Derby der zwei großen Wiener Fußballvereine ansehen. Ein Tipp? Kein Tipp!

Der vergangene Sonntag, an dem eine Fotografin von einem leeren Rauchtopf aus dem Austria-Fansektor am Kopf getroffen worden war und eine Platzwunde erlitten hatte, die im Spital genäht werden musste, legte den nächsten Stein in ein großes Mosaik, an dem Rapid und die Austria seit Jahren basteln und dessen Fertigstellung nicht abzusehen ist. Ein Blick ins STANDARD-Archiv, etwa mit den Stichworten "Austria, Rapid und Ausschreitungen", zeigt eine unschöne Regelmäßigkeit, mit der es am Rande der wichtigsten heimischen Partie zu Wickeln kommt.

Dass Festnahmen, Anzeigen und Verletzte beim Wiener Derby auf der Tagesordnung stehen würden, wäre zugegeben eine Übertreibung, eine Zuspitzung – aber keine besonders dramatische, eher fast eine zulässige.

Rapid ist vor gut zwei Wochen in einem langen offenen Brief ("Offene Worte aus Hütteldorf") nicht nur auf eine von der Bundesliga nach Derby-Vorfällen im Februar verhängte Sektorsperre eingegangen. Da hieß es: "Leider fühlen sich sehr viele selbsternannte Soziologen, die keinerlei Verantwortung tragen, bemüßigt, ohne vertiefte Faktenkenntnis Haltungsnoten zu vergeben." Und: "Bemerkenswert ist der eklatante Wahrnehmungsunterschied zwischen Stadionbesuchern und Fußballinteressierten, die noch nicht oder seit längerer Zeit nicht im Stadion waren." Die Austria Presse-Agentur listete kürzlich zwölf "Vorfälle mit Rapid-Fans" – nicht nur in Derbys – seit Mai 2011 auf.

Den Kartenverkauf für das jüngste Derby verantwortete die Austria. Da bekamen die Gäste von Rapid ein bestimmtes Kontingent zugewiesen, das laut Austria-Vorstand Markus Kraetschmer auf Anfrage zweimal erhöht wurde. Ansonsten konnten – aus Sicherheitsgründen, wie es hieß – allein Austria-Mitglieder und Abonnenten Tickets kaufen.

Soll heißen: Jemand, der sich am Sonntag im Prater eher spontan Austria gegen Rapid geben wollte, hatte den sogenannten Aufgedrehten. Eine Kapitulation? "Nein", sagt Kraetschmer. "Das war eine Maßnahme, um jene Leute zu schützen, die immer kommen." Bei Derbys im Happel-Stadion habe es oft das Problem einer Fanvermengung im Familiensektor gegeben, weil sich auch Rapid-Anhänger Karten für diesen Bereich besorgt hatten. Kraetschmer: "Es gab immer wieder Vorfälle, wir haben etliches ausprobiert, nichts hat funktioniert."

Lob des Anhangs

Für die restriktive Maßnahme am Sonntag sei der Verein von etlichen Anhängern gelobt worden. Insgesamt gesteht Kraetschmer ein: "Es ist leider schon zu oft etwas passiert, wir können und wollen das nicht totschweigen."

Die Sicherheit ist auch eine Venue-Frage, eine Hoffnung der Austria beruht darauf, dass man ab Sommer nach Favoriten in die ausgebaute Generali-Arena zurückkehrt. Kraetschmer spricht von einem "komplett neuen Sicherheitskonzept im Stadion und um das Stadion". Der Austria-Vorstand will die Videoüberwachung verbessern und "ein Stadion schaffen, in dem sich wirklich alle sicher fühlen und wohlfühlen können" . Über den Rauchtopfwerfer vom Sonntag verhängt die Austria ein zweijähriges Hausverbot, zudem muss er mit einem mehrjährigen Stadionverbot rechnen, das österreichweit und auch für Cup- und Länderspiele gilt.

Die Austria, die sich bei der verletzten Fotografin mehrfach entschuldigt hat, ist mit mehr als 50 Hausverboten der Spitzenreiter der Liga. Die Dauer eines Hausverbots hängt von der Schwere des Delikts ab. Auf rechtsextremes Gedankengut zurückzuführende Hausverbote werden laut Vorstand Kraetschmer "immer wieder verlängert". Fans, die etwa offen Nazitätowierungen zur Schau stellen, finden nach wie vor den Weg zur Austria, wie das jüngste Derby bewies.

Stadionverbote sind klarerweise seltener, landesweit gibt es um die hundert. Natürlich gibt es immer wieder Personen, die versuchen, Haus- oder Stadionverbote zu umgehen. Kraetschmer: "Es gibt halt Menschen, die nichts behirnen oder behirnen wollen." Und natürlich hat Rapid vor allem aus einem Grund mehr auffällige Fans als andere – Rapid hat einfach insgesamt die allermeisten Fans. Dass diese sich in ihrem Stadion Atmosphäre wünschen, ist verständlich.

Insofern würde auch das von Regierungsvertretern angedachte Pyrotechnikverbot völlig an wahren Problemen vorbeigehen. Die kontrollierte Pyrofreigabe sollte Kreativität und Atmosphäre auf den Rängen ermöglichen, ein Verbot würde Fans erst recht dazu bringen, Atmosphäre mit Radau zu verwechseln.

Was bleibt, ist die Hoffnung. Und am Wochenende einmal ein Abstecher zur Vienna oder zum Wiener Sportclub. Regionalliga halt. Aber stimmungsvoll und jedenfalls sicher. Ein Tipp. (Fritz Neumann, 16.4.2018)