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Friedenstauben sind es derzeit noch nicht, die in Syriens Hauptstadt Damaskus aufsteigen. Nach der jüngsten Eskalation plädieren allerdings zahlreiche Staaten nun wieder für mehr Diplomatie. Österreichs Außenministerin Karin Kneissl hat Vermittlung angeboten.

Foto: REUTERS/Ali Hashisho

Nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien sorgte am Montag auch dessen unabhängige Untersuchung für heftige Kontroversen: Die Experten der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) durften zunächst nicht, wie eigentlich geplant, zu jenem Teil der Stadt Douma anreisen, wo es laut westlichen Staaten vor einer Woche zum Einsatz von Giftgas gegen die Zivilbevölkerung gekommen sein soll. Das bestätigte OPCW-Generaldirektor Ahmet Üzümcü am Montag in Den Haag. Aus Russland hieß es, die Experten würden Douma am Mittwoch besuchen.

Die USA sollen bei dem Treffen des OPCW-Exekutivrats am Montag schwere Vorwürfe erhoben haben. Wie die Agentur Reuters unter Berufung auf Teilnehmer der nicht öffentlichen Tagung schreibt, fürchtet Washington, dass Russland Beweise am Ort des mutmaßlichen Einsatzes vernichtet oder falsche Indizien platziert haben könnte. Moskau arbeite daran, die Kulissen zu verschieben, um den Verdacht zu erhärten, der Militärschlag der USA, Frankreichs und Großbritanniens gegen militärische Forschungseinrichtungen vom Wochenende sei auf Basis gefälschter Beweise erfolgt. Die drei Länder hatten den Giftgasangriff vom 7. April als Begründung für ihr Einschreiten genannt. Der britische Botschafter Peter Wilson beschuldigte Russland und Syrien, die Ermittlungen der OPCW zu blockieren.

Russland wies die Vorwürfe zurück. "Das ist eine weitere Erfindung der Briten", sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow in Moskau. Wegen der Raketenangriffe des Westens hätten die OPCW-Experten ihre Untersuchungen bisher nicht aufnehmen können. Allerdings ist nichts davon bekannt, dass Ziele in direkter Umgebung der Stadt Douma attackiert wurden.

EU-Bemühungen

Der neue Streit wirft nun einen Schatten auf die jüngsten Bemühungen um Friedensgespräche, wie sie nicht zuletzt die österreichische Regierung gern mitorganisieren würde. Außenministerin Karin Kneissl sagte zwar am Montag im Ö1-"Morgenjournal" in einem Interview vor dem EU-Außenministerrat in Luxemburg, sie habe derzeit noch keinen "konkreten Auftrag" von einer der Streitparteien oder der Uno vorliegen. Wien sei allerdings "sehr gern" bereit, sich als Austragungsort für Gespräche zu betätigen oder an einer Pendeldiplomatie mitzuwirken. Zudem stelle Österreich vier Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für Wiederaufbau und Soforthilfe bereit. Die EU-Staaten wollen bei einer Syrien-Konferenz nächste Woche in Brüssel für einen Neustart von Friedensgesprächen werben.

Verteidigungen aus London und Paris

Die Staaten der Dreier-Militäraktion vom Wochenende bemühten sich am Montag, das Bombardement zu rechtfertigen. So sieht sich etwa London unter besonderem Druck, denn Oppositionschef Jeremy Corbyn lehnt den Einsatz weiter vehement ab: "Entweder war er nur symbolisch und daher als Abschreckung wirkungslos. Oder er war Vorläufer zu einer größeren Militäraktion", so Corbyn. "Wir haben in unserem nationalen Interesse gehandelt", erklärte hingegen Premierministerin Theresa May. "Dazu gehört es, den weiteren Einsatz von Chemiewaffen zu verhindern und den globalen Konsens zu ihrer Ächtung zu verteidigen."

In Frankreich hatte Außenminister Jean-Yves Le Drian bereits am Vortag gesagt, dass nun der Moment für verstärkte Diplomatie gekommen sei. Die Gruppe aus USA, Großbritannien, Frankreich, Saudi-Arabien und Jordanien solle Verhandlungen mit dem Iran, Russland und der Türkei eröffnen, sagte nun Premierminister Edouard Philippe am Montag.

Allerdings wächst auch in Paris die Kritik am Kriegseinsatz, eine Mehrheit der Franzosen ist dagegen. Präsident Emmanuel Macron stellte sich Sonntagabend einem sehr konfrontativen dreistündigen TV-Interview, in dem er auch zu Syrien befragt wurde. Er nannte den Luftschlag einen militärischen und diplomatischen Erfolg: "In Moskau denkt man, die westlichen Regierungen seien Schwächlinge. Wir haben gezeigt, dass wir zu reagieren wissen. Außerdem haben wir Russland und die Türkei gespalten."

"Enge Verbindung" zwischen Moskau und Ankara

Dort sieht man das natürlich anders. Aus der Türkei hieß es Montagmittag ungewohnt diplomatisch, dass man "im aktuellen Konflikt eine andere Politik als der Iran und Russland, aber auch als die USA" verfolge. Man stehe aber auf der Seite all jener, die "die richtigen Prinzipien" verteidigten. Außenminister Mevlüt Çavusoglu sagte später, die Verbindungen zu Russland seien "zu eng, um von Macron gebrochen zu werden". Staatschef Tayyip Erdogan telefonierte noch am Montag mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel. Die beiden hätten betont, dass die Einheit Syriens gewahrt werden müsse, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Russland selbst bereitete sich derweil auf die nächste Runde von US-Wirtschaftssanktionen vor – eine Entscheidung darüber kündigte das Weiße Haus für die "baldige Zukunft" an. Bereits am Freitag war im russischen Parlament, der Duma, eine Initiative eingegangen, die US-Sanktionen beantworten soll. Darin hatten die Abgeordneten ein Verbot für die Einfuhr von Alkohol und Tabak, aber auch von Medikamenten gefordert. Behörden sollen auf ausländische Software und Konzerne auf amerikanische Manager und Spezialisten verzichten.

In den USA folgte derweil schon die nächste Volte Präsident Donald Trumps. Er wollte zwar die neuen Sanktionen unterzeichnen, zugleich stellte er aber erneut den baldigen Abzug der US-Truppen aus Syrien in Aussicht – an diesen Plänen habe sich nichts geändert, sagte Sprecherin Sarah Huckabee Sanders. Das wird nicht zuletzt der auf Einigkeit bedachte Macron nicht gern gehört haben. Er hatte Stunden zuvor im TV-Interview noch stolz verkündet, dass er den US-Präsidenten zu einem Verbleib in Syrien überredet habe. (André Ballin, Sebastian Borger, Stefan Brändle, Manuel Escher, 17.4.2018)