Wien – Rosslyn Park ist ein Verein mit einer Ader für das Bahnbrechende. Am 18. April 1892 etwa, adelte man sich selbst zu jener englischen Mannschaft, die, wie es so schön heißt, als erste "in Europa" Rugby gespielt hat. Gemeint war damit selbstredend jener außerhalb der britischen Inseln gelegene kontinentale Rest. In Paris war Stade Français der Gegner und nicht alle hielten diesen Vorgang für eine gute Idee. Die Partie könne, schrieb ein Schmieranski, zu internationalen Verwicklungen führen. Zum Glück traten solche dann doch nicht auf den Plan.

Am 14. April 1912 wiederum trugen die Herren aus London ihre rot-weiße Ringelpanier auf der Wiener Hohen Warte zu Felde um gemeinsam mit einer Auswahlmannschaft der Universitäten Oxford und Cambridge den Bewohnern der Residenzstadt eine Demonstration zu geben. Es handelte sich um den Endpunkt einer Tournee durch die Metropolen der Habsburger Monarchie, auf der Budapest und Prag die weiteren Stationen abgaben. Und es war das erste Rugbymatch auf österreichischem Boden. Allein dass just am selben Tag die Titanic mit einem Eisberg kollidierte, verdrängte dieses historische Ereignis von den vorderen Seiten der Geschichtsbücher.

Die Gentlemen von Rosslyn Park tourten Anno 1912 durch Österreich-Ungarn.
Foto: rosslyn park

Internationalität als Zier

106 Jahre später nun, kehrt Rosslyn Park nach Österreich zurück. Diesmal gilt der Besuch dem Vienna Celtic RFC, der 2018 seinen 40. Geburtstag begeht. Die Kelten sind damit mit großem Abstand der älteste Rugbyverein des Landes, haben quasi die Saat, welche Rosslyn Park einst in noch kaiserlicher Erde ausbrachte zum Keimen gebracht. Die gehörige zeitliche Verzögerung kann niemandem zum Vorwurf gemacht werden, das Match zwischen Ehrengast und Jubilar am 5. Mai geht vielmehr als geradezu himmlische Verbindung von Wegbereitern durch.

Man schrieb das Jahr 1978, als ein zusammengewürfelter Haufen aus Briten auf Entzug und aberwitzigen Österreichern den Vienna Celtic Rugby Football Club aus der Taufe hob. Der Verein blieb in der Folge lange ein Sammelbecken der vorwiegend anglophonen Diaspora. Man navigierte zwischen sportlicher Ambition und geselligem Beisammensein. Menschen aus aller Herren Länder kamen, und sie gingen auch wieder. Das Erbe der Flüchtigkeit ist eine heute über die ganze Welt verstreute Community. Sie bildet ein Netzwerk, das auch gewinnbringend genutzt wird: Man wird besucht, kann seinerseits touren.

Antonio de Vall ist hörbar stolz auf die Vielfalt, die von Anbeginn an das spezifische Wesenszug Celtics war. "Wir sind der internationalste Verein Österreichs", sagt der 47-jährige Unternehmer, der dem Klub seit zehn Jahren als Obmann vorsteht, dem STANDARD. Nicht nur hinsichtlich der Herkunft der Spieler traf und trifft das zu. Angesichts des Fehlens jeglicher heimischer Gegnerschaft war es über eine lange Zeit gar nicht anders möglich, als sich über die Grenzen hinaus zu orientieren. Ganze zwölf Jahre ist Celtic älter als Österreichs Rugbyverband. Man wagte sich also nolens volens hinter den Eisernen Vorhang, bespielte die Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Polen.

Es war eine durchaus abenteuerliche Zeit, sie prägte die Vereinskultur entscheidend. Bis in die Gegenwart. Woher du kommst, woran du glaubst, wer immer du auch sein magst – du bist willkommen. Das ist das Celtic-Credo. Eine Bedingung aber gibt es: Die Philosophie des Vereins muss mitgetragen werden.

Pioniere: das erste Celtic-Team aus dem Jahr 1978.
Foto: Celtic RFC

Der richtige Sport für unsere Zeit

"Wir wollen nicht vergessen, woher wir kommen", sagt de Vall. Nach wie vor sei es das höchste Gut, die traditionellen Werte des Rugby zu leben und weiterzugeben. Und er zählt auf: "Toleranz, Offenheit, aber auch Disziplin." Sportlicher Erfolg sei wichtig, aber nicht alles. Im Amateursport gehe es um mehr, um etwas das dauert. Freundschaften zum Beispiel. "Für uns ist es extrem wichtig, mit ehemaligen Spielern in Kontakt zu bleiben. Das mag uns von anderen, die wettbewerbsorientierter funktionieren, unterscheiden. Wir werden unsere Werte aber nie durch kurzfristiges Erfolgsdenken korrumpieren lassen." Ein Großteil der Veteranen von 1978 wird anlässlich des Jubiläums von überallher einfliegen und das, so de Vall, sei doch etwas ganz Besonderes.

Es ist überzeugt, dass die im Rugby über tradierten Werthaltungen wichtig und richtig sind, gerade in der heutigen Gesellschaft. "Jeder Mensch, egal ob groß, klein, dick, dünn, schnell oder langsam kann eine wichtige Rolle spielen. Jeder kann seine individuellen Qualitäten einbringen. Es sind nicht alle gleich, ganz im Gegenteil. Erkennen, dass du wertvoll sein kannst, für eine Mannschaft und den Verein, das vermitteln wir den Kids und jedem Vereinsmitglied. Das liegt uns am Herzen."

Gerade auch bei den Feierlichkeiten am 5. Mai soll die Jugend in die Auslage gestellt werden, Mittel zum Zweck ist ein großes internationales Jugendturnier von der U8 bis hinauf zur U16. Angestrebt wird, am Ende dieser Saison 150 Kinder und Jugendliche im Verein zu haben. De Valle: "Es ist eine Herausforderung, aber mit etwas Glück können wir das schaffen. Der Zulauf entwickelt sich im Frühling jetzt wieder sehr erfreulich."

Das aktuelle Team der Kelten will und soll zurück an Österreichs Spitze.
Foto: Celtic RFC

Alte Werte, neue Ziele

Vor etwa 15 Jahren begab sich Celtic auf den Weg einer sanften, aber entschiedenen Neuorientierung. Lange, vielleicht zu lange, so de Vall, habe man sich als Expat-Socialclub verstanden. Ohne mit dem Wesenskern zu brechen wurde der Verein seither im Rahmen der Möglichkeiten umstrukturiert. Ziel ist es, die personelle Fluktuation zu reduzieren und kontinuierliche Weiterentwicklung zu ermöglichen. Eines der Kernthemen seither: Rugby in Österreich weiterbringen, der beste Ausbildungsverein sein. "Wir wollen als internationaler Klub österreichische Rugbyspieler ausbilden, um den Sport in der Kultur des Landes zu verankern."

Die Kampfmannschaft Celtics soll in die Lage versetzt werden, wieder um die Meisterschaft mitzuspielen. Gerade heuer wieder einmal den Einzug ins Finale zu schaffen wäre ein Traum. Und der Obmann fügt noch etwas an: Donau schlagen, "das ist ja klar". Nun, klar vielleicht – selbstverständlich keineswegs. Denn die RU Donau Wien, 1987 aus einer Celtic-Abspaltung hervorgegangen und seiter lokaler Erzrivale, dominiert Österreichs Rugbyszene mehr oder weniger unangefochten. 24 Meisterschaften sprechen eine eindeutige Sprache. Celtics bisher einziger Titel liegt dagegen lange zurück.

Und doch, de Vall glaubt, die Weichen gestellt. Man habe der augenscheinlichen Professionalisierung des Amateursports Rechnung getragen. "Es gibt bei Celtic jetzt ein Umfeld, in dem sich die Spieler aufs trainieren konzentrieren können und qualitativ hochwertiges Coaching erfahren. Ein Meilenstein dafür war die Sesshaftwerdung des bis dahin heimatlosen Vereins auf dem Gelände des Rugby-Leistungszentrums in Liesing. Die Möglichkeit langfristigen Arbeitens sei die Voraussetzung seines Engagements gewesen, so der Obmann, der ursprünglich aus dem Basketball kommt. Sein Erweckungserlebnis war eine zufällig erzappte Übertragung von der Rugby-WM 1995 in Südafrika. Und am Ende seines ersten Jahrzehnts im Amt ist von Müdigkeit nichts zu bemerken, im Gegenteil: "Es macht richtig Spaß. In Wahrheit haben wir erst angefangen." (Michael Robausch, 4.5.2018)