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Macron will die Europäische Union stärken, nur so seien große politische Fragen wie Klimaschutz oder Sicherheit zu beantworten.

Foto: Reuters / Vincent Kessler

Emmanuel Macron lässt die Abgeordneten im Europäischen Parlament warten. In den vollbesetzten Reihen des Plenarsaals in Straßburg war schon etwas Unruhe aufgekommen, als der französische Staatspräsident fast zwanzig Minuten über Plan das erhöhte Podium des Präsidenten betrat.

Der Hausherr, Präsident Antonio Tajani, folgte ihm mit kleinem Respektabstand. Und wies in der Begrüßung darauf hin, wie sehr es die Deputierten freue, "mit ihnen über die Zukunft Europas zu sprechen". Auch in modernen Zeiten sind Auftritte eines französischen Staatsoberhauptes im EU-Parlament etwas Besonderes. Er ist einer der mächtigsten Regierungschefs der Welt, militärisch entscheidend, ohne EU, wie die Strafaktion gemeinsam mit den USA und Großbritannien gegen das syrische Regime zeigte. Geredet haben in Straßburg einige. Aber vor Macron hatte sich bisher kein Präsident einer ausführlichen Debatte gestellt. Macron betonte gleich zu Beginn, wie wichtig das "an diesem Ort" der Volksvertretung sei. Es sei hoch an der Zeit, dass die politischen Verantwortlichen einen "echten Dialog" auch mit den Bürgern führen, die durch die Krisen und die Herausforderungen unserer Zeit "viele Zweifel an Europa haben", die Ängste vor der "Unordnung in der Welt" hätten.

Und schon ist der französische Präsident beim Leitthema seiner Rede, den Gefahren für die EU und die Demokratie durch den Populismus und den aufkommenden Nationalismus. Es gebe derzeit "eine Art Begeisterung für Zweifel", die "illiberale Faszination wird von Tag zu Tag größer", sagt Macron. Daher sei es die Verantwortung der Regierungen, dem eine positive Antwort entgegenzusetzen. In manchen Ländern, er meint unverhohlen Ungarn oder Polen, werde die liberale Demokratie infrage gestellt.

Die Antwort auf "autoritäre Grundeinstellungen" sei nicht eine "autoritäre Demokratie", sondern eine "Autorität durch Demokratie". In diesem Sinn spricht sich der Franzose dafür aus, die "friedliche Vereinigung der Völker" durch die EU nicht aus den Augen zu verlieren, das Bewusstsein dafür zu erneuern.

Kein Schlafwandler sein

"Ich möchte nicht zu einer Generation der Schlafwandler gehören. Ich möchte zu einer Generation gehören, die standhaft entschieden hat, ihre Demokratie zu verteidigen", anders als vor dem Ersten Weltkrieg, erklärt er weiter, und es kommt Applaus auf.

An sich war erwartet worden, dass der Präsident Vorschläge zur Vertiefung der Eurozone macht. Er verweist aber darauf, dass er das schon in seiner Rede an der Sorbonne im vergangenen September getan habe. Bis Juni will er mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel einen gemeinsamen deutsch-französischen Vorschlag präsentieren. Aus Berlin kamen zuletzt jedoch skeptische Töne zur Idee eines EU-Finanzministers oder einem Eurobudget.

Macron geht es in seiner Rede auch eher um das größere Ganze. Die EU, Europa, müsse eine "neue Souveränität" entwickeln, um beim Klimaschutz, bei der Sicherheit und in Syrien stärker auftreten zu können. Dafür sei es nötig, zu vergemeinschaften, gemeinsame Regeln zu schaffen, weil die Nationalstaaten gewisse Probleme allein nicht lösen könnten. Es müsse rasch Reformen geben, vor allem dürfe es nicht sein, dass einzelne Staaten andere blockieren – nicht zuletzt bei der Migrations- und Asylpolitik. Abgeordnete aus allen Fraktionen liefern sich mit dem Franzosen ein langes Frage-Antwort-Spiel, mehr als drei Stunden lang, es gab viel Lob, aber auch scharfe Kritik der EU-Skeptiker, etwa an deutsch-französischer Dominanz. (Thomas Mayer aus Straßburg, 17.4.2018)