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Seit der Industrialisierung arbeite der Mensch für den Konsum. Wüssten wir mit uns etwas anzufangen, wenn die Roboter die ganze Arbeit machen?

Foto: Reuters / Murad Sezer

Etliche Studien prophezeien, dass Roboter viele Jobs übernehmen und ganze Berufe obsolet machen werden. Das Hauptproblem sieht der britische Wirtschaftshistoriker Robert Skidelsky aber nicht im Vormarsch der Maschine, wie er im Gespräch mit dem STANDARD erklärt. Der Kreislauf von Arbeit und Konsum exponiere den Menschen gegenüber dem technologischen Fortschritt. Die Politik müsse daher für eine Verschnaufpause sorgen, damit sich die Gesellschaft an den digitalen Wandel anpassen kann.

STANDARD: Sie sind Wirtschaftshistoriker, ich bin Wirtschaftsjournalist, sind unsere beiden Berufe automatisierbar?

Skidelsky: Beim Journalismus passiert das jetzt schon: Früher hatten alle großen Zeitungen weltweit Korrespondenten, viele davon sind verschwunden. Information wird heute digital verbreitet. In anderen Bereichen gibt es Texte, die mithilfe von Algorithmen erzeugt werden. Das erspart Handarbeit.

STANDARD: Das muss ja noch nicht zu einem Nettoverlust von Stellen führen. Laufend werden neue Studien publiziert, die vorhersagen, dass zwar viele Jobs durch Roboter verlorengehen, aber auch, dass viele neu entstehen. Kann uns die Geschichte da weiterhelfen?

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Lord Robert Skidelsky stellt in seinem gleichnamigen Buch die Frage: "Wie viel ist genug?"
Foto: Bloomberg via Getty Images

Skidelsky: Das ist ein schwieriges Unterfangen. Die ökonomische Lehrmeinung war immer schon, dass Mechanisierung, wie es damals hieß, eine gute Sache ist, weil wir mehr und billiger produzieren können. Für die Menschen bedeute das mehr Einkommen oder mehr Freizeit.

STANDARD: Ist das schlecht?

Skidelsky: Man muss sich überlegen, wohin das führt. Zunächst geht es einmal um eine Übergangsphase. Viele dieser Studien gehen von Jahrzehnten aus, bis Roboter netto mehr Jobs schaffen, als sie ersetzt haben.

STANDARD: Sehen wir heute schon einen Verdrängungseffekt?

Skidelsky: Es gibt Hinweise auf diese technologische Arbeitslosigkeit. In vielen Ländern ist der Sockel an Beschäftigungslosen höher als vor rund vierzig Jahren. Damals war eine Arbeitslosenquote von drei Prozent normal, heute freuen wir uns über sechs Prozent, bei vier fürchten wir uns vor einer Überhitzung. Außerdem nimmt die Qualität vieler Jobs ab: Die Reallöhne stagnierten oder sind sogar für manche Bevölkerungsschichten gesunken. Das ist ein Vorbote für Automatisierung.

STANDARD: Ist es nicht umgekehrt, dass höhere Löhne zu mehr Einsatz von Maschinen verleiten?

Skidelsky: Nicht in einer globalisierten Produktion. Die Arbeitskosten in den Schwellenländern sind ja trotzdem deutlich niedriger als in westlichen Industriestaaten. Wenn man Kapital exportieren kann, dann sitzen eben die billigen Arbeitskräfte an den gleichen Maschinen. Automatisierung und Auslagerung ergänzen einander.

STANDARD: Wenn zumindest zwischenzeitlich Arbeiter und Angestellte durch Maschinen und Software verdrängt werden, was ist mit Konsumenten? Fehlen die nicht im System, wie Sie es beschreiben?

Skidelsky: Das ist tatsächlich ein Widerspruch. Ich glaube, der Fehler liegt darin, dass seit der industriellen Revolution höhere Produktivität mit mehr Konsum einhergehen muss. So lautete das ökonomische Gesetz, das Adam Smith im 18. Jahrhundert niedergeschrieben hat: Das Ziel der Produktion ist Konsum. Und dass Menschen unersättlich seien. Somit führt technischer Fortschritt zu immer mehr Konsum.

STANDARD: Und das ist ein Problem?

Skidelsky: Wenn der Konsum zum einzigen Zweck der Arbeit wird, schon. Das ist ein Kreislauf, den kaum einer hinterfragt. Darum stellt sich die Frage, was passiert mit den Menschen, wenn die Arbeit von Robotern gemacht wird. Ich glaube nicht, dass das ein Naturgesetz ist, dass wir immer mehr konsumieren müssen, sondern dass dieses Verlangen heute zum Teil künstlich erzeugt wird.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Skidelsky: Die Werbebranche sieht ihre Aufgabe darin, Unzufriedenheit zu organisieren. Das ist nicht von mir, das sagen Vertreter der Branche selber. Wir werden konstant mit Werbebotschaften bombardiert, wie wir unser Leben verbessern können. Selbst wenn wir dank Automatisierung mehr Freizeit hätten, können wir diese nicht mehr ohne das neueste Gadget genießen.

STANDARD: Wollen Sie Werbung verbieten?

Skidelsky: Ich würde Werbeausgaben stärker besteuern oder zumindest nicht mehr von der Steuer absetzbar machen. Gleichzeitig würde ich die Profite, die der technologische Wandel bringt, stärker umverteilen.

STANDARD: Eine Maschinensteuer?

Skidelsky: Nein, den Vorschlag von Bill Gates, Roboter direkt zu besteuern, halte ich für verfehlt. Ich denke an eine Gewinnsteuer, bemessen an technologischer Kostenreduktion bei Unternehmen.

STANDARD: Fürchten Sie nicht die Folgen für den Wohlstand, würde man erfolgreich mit Steuern den Konsum senken?

Skidelsky: Es geht gar nicht darum, Konsum zu reduzieren, sondern lediglich das Konsumwachstum einzubremsen, damit sich die Menschen in der Übergangsphase der Automatisierung fragen könne, was sie vom Leben wollen. (Leopold Stefan, 18.4.2018)