Die Begeisterung für Saudi-Arabiens neuen Kronprinzen Mohammed bin Salman sei "fehlgeleitet", weil es Grenzen gebe, sagt Nahost-Experte Guido Steinberg.

Foto: APA/AFP/Saudi Royal Palace/BANDAR AL-JALOUD

Wien – Syrien, Jemen, Bahrain, Libanon – das sind nur einige Beispiele für Länder, in denen Konflikte herrschten, hinter denen die traditionelle Rivalität der Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran um die Vorherrschaft am Golf und im Nahen Osten steht. "Es gibt kaum einen Konflikt, wo kein Element enthalten wäre, das mit dieser Metaebene zu tun hat", sagt Gudrun Harrer, Nahost-Expertin und Leitende Redakteurin beim STANDARD, einleitend zur Veranstaltung "Kalter Krieg am Golf" im Wiener Kreisky-Forum am Dienstagabend.

Der Orientalist und Iran-Experte Walter Posch betont allerdings die Unterschiede zum "echten" Kalten Krieg, in dem "klare Spielregeln" geherrscht hätten und der – trotz grausamer Stellvertreterkriege – für direkt Betroffene "sehr stabil" gewesen sei. Im derzeitigen Chaos in der Region sei allerdings gerade die Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran das einzig Stabile, sie sei immer da gewesen.

Den Ursprung der Feindschaft beschreibt Islamwissenschafter und Nahost-Experte Guido Steinberg mit dem Zweifel des mehrheitlich schiitischen Iran an der Legitimität Saudi-Arabiens, die heiligen islamischen Stätten Mekka und Medina zu kontrollieren. Die Saudis ihrerseits seien aufgeschreckt worden durch die Proteste der Schiiten im Osten des Landes. Eine Eskalation folgt Anfang der 2000er-Jahre, als erstmals Details über ein iranisches Atomprogramm ans Licht kommen und die US-Invasion im Irak beginnt – eine Offensive, die Riad stets kritisiert hat, da es als Folge die Dominanz schiitischer Islamisten befürchtet. Als es schließlich nach den irakischen Wahlen 2005 so weit kommt, "flippen die Saudis völlig aus", sagt Steinberg. Mit dem Arabischen Frühling – vor allem den Aufständen in Syrien, dem Jemen und Bahrain – erreicht der Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran eine neue Dimension.

"Fehlgeleitete Begeisterung" für MbS

Mohammed bin Salman (MbS), der im vergangenen Jahr zum Kronprinzen Saudi-Arabiens aufgestiegen ist und oftmals als großer Reformer gelobt wird, fährt einen aggressiven Kurs gegen den Iran. Dabei betont Steinberg, dass die "unglaubliche Modernisierung" des Landes zugleich zu mehr Autokratie führe. Für ihn sei die Begeisterung für den neuen Kronprinzen fehlgeleitet, "weil es Grenzen gibt": Eine Gleichberechtigung der Schiiten in Saudi-Arabien würde auch MbS niemals zulassen. Eine Eskalation des Konflikts zwischen Saudi-Arabien und dem Iran zeige sich anhand jüngster Äußerungen des Kronprinzen, der erklärt hatte, dass Riad ebenfalls Atommacht werden wolle, falls der Iran so weit gehen sollte. Eine Mäßigung der Saudis sei Steinberg zufolge nicht in Sicht: Der Konflikt sei "nicht mehr zu stoppen" – die Gefahr einer direkten Konfrontation steige mit jedem Jahr.

Zentral sei Walter Posch zufolge nun, wann Teheran davon ausgehe, dass es "nicht mehr eine Frage von Interessensphären in der Region" sei, sondern um einen tatsächlichen Angriff gehe. Dieser müsse aber nicht militärisch ausgeführt werden.

Allianz mit Israel und USA

Eine zentrale Rolle spielen dabei Israel und die USA. MbS baue ganz zielgerichtet eine Allianz, sagt Steinberg. Mit einer Annäherung an Israel ändere sich das Kräfteverhältnis sehr schnell. Der Kronprinz wolle den Konflikt mit dem Iran führen und stehe gleichzeitig "für eine ganze Schicht an Saudis, die sich für den israelisch-palästinensischen Konflikt nicht interessieren". Er habe schon zuvor deutlich gemacht, dass er auf US-Präsident Donald Trump baut, "und wenn er mit Trump kein Problem hat, hat er auch keins mit Netanjahu".

Eine tatsächliche direkte Auseinandersetzung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien hänge von den USA ab, sagt Steinberg. "Solange die USA einen akzeptablen Präsidenten hatten, standen US-Truppen dazwischen." Nun müsse man zumindest damit rechnen, dass Saudis, Israelis und Amerikaner vielleicht gemeinsam vorgehen könnten. Es hänge davon ab, ob die USA diesen Konflikt auch austragen wollten – die Neubesetzungen im Kabinett mit Hardlinern wie John Bolton und Mike Pompeo würden dafür sprechen. Das gerade Verteidigungsminister Jim Mattis, der den Iranern "in der gesamten Region entgegentreten möchte", als stabilisierender Faktor der Regierung gesehen werde, ist für Steinberg fast schon grotesk.

Abwarten als mögliche Option

Posch wirft hingegen ein, dass Saudi-Arabien und Israel durchaus zufrieden mit der derzeitigen Situation seien und vielleicht eher auf einen inneren Konflikt spekulieren könnten – dass also die wirtschaftliche Situation im Iran sich weiter verschlechtert, die Iraner die Hoffnung verlieren und die Verteilungskämpfe zunehmen.

Wie der Konflikt zwischen dem Iran und Saudi-Arabien in der Region wahrgenommen wird, sei durchaus unterschiedlich und lasse sich nicht verallgemeinern, sagt Steinberg. In Syrien etwa würden 30 bis 40 Prozent dem Iran positiv gegenüberstehen, weil er Assad an der Macht halte, "der Rest hasst ihn". Warum die Angst vor einer Schiitisierung – etwa in Marokko oder Libyen – umgehe, ist für Steinberg irrational: "Vielleicht braucht man da keinen Islamwissenschafter, sondern einen Psychiater." (Noura Maan, 18.4.2018)