Die Südroute wird immer stärker frequentiert.

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Migranten überqueren die griechisch-mazedonische Grenze.

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Etwa eine halbe Stunde nach dem Muezzinruf kommen sie. Jeden Tag um 17 Uhr wird der Kofferraum des Autos geöffnet, und die Migranten in dem Park gegenüber vom Rathaus bekommen Essen. Es sind etwa dreißig meist junge Männer, viele von ihnen sind aus Algerien und Marokko. Sie kamen über die Südroute nach Sarajevo.

"Von Griechenland nach Albanien kostet es 400 Euro, um die Beamten zu schmieren", erzählt der Algerier Ahmed. "Von Albanien nach Montenegro 200 Euro, weiter nach Bosnien-Herzegowina 100 Euro, und morgen holt mich der Schlepper ab und bringt mich für 200 Euro nach Kroatien. Über Serbien sei es zu gefährlich. "Denn wenn du dort von der Grenzpolizei erwischt wirst, landest du sofort für 14 Tage im Gefängnis", erzählt der 24-Jährige.

Auch aus diesem Grund wählen immer mehr Migranten den Weg über Bosnien-Herzegowina, um in die EU zu gelangen. Die meisten von ihnen wollen nach Deutschland. Laut dem bosnischen Sicherheitsministerium geben alle an, dass sie in Westeuropa um Asyl ansuchen wollen, keiner will in Sarajevo bleiben.

Balkan-Transitländer

Trotzdem sind die Asylanträge gestiegen. Waren es im Jahr 2016 noch 66 Personen, so haben im Vorjahr bereits 341 Menschen angesucht. Heuer gab es bis Ende März allein 254 Anträge. "Eine große Mehrheit bekundet hier aber nur ihre Absicht, um Asyl anzusuchen, ohne dass sie wirklich zur Registrierung gehen", heißt es aus dem Ministerium gegenüber dem STANDARD. Heuer waren es 1.174 Personen. Die meisten sind aber offensichtlich weitergereist. Laut Sicherheitsministerium kommen sie aus Algerien, Pakistan, Marokko, Syrien, Afghanistan, Libyen und der Türkei. Minister Dragan Mektić sagte, die Situation sei noch nicht alarmierend, aber die Zahl der Migranten würde steigen. Problematisch ist, dass die bosnische Grenzpolizei unterbesetzt ist, ein Fünftel der Beamten fehlt. In so einem armen Land ist das auch eine Kostenfrage.

Das Flüchtlingszentrum Delijas in der Nähe von Sarajevo ist überfüllt. Dort bekommen die Menschen Essen, Gesundheitsversorgung, Schulbildung und Rechtsberatung. "In begründeten Fällen werden Rückführungsabkommen nach Montenegro und Serbien genutzt", so das Ministerium auf Anfrage des STANDARD. Manche Migranten sind bei Bosniern zu Hause untergekommen.

Der Zustrom illegaler Flüchtlinge dürfte nach einem neuen Urteil des obersten griechischen Verwaltungsgerichts weiter zunehmen. Die Richter sollen in der noch nicht veröffentlichten Entscheidung die Internierung von Asylsuchenden auf den griechischen Inseln aufgehoben haben. Das Gericht revidierte damit sein umstrittenes Urteil aus dem Jahr 2016 nach dem Abschluss des Flüchtlingsabkommens zwischen der Türkei und der EU.

15.000 Migranten auf Inseln

Flüchtlinge, die auf den griechischen Inseln anlanden, sollen sich demnach fortan frei im Land bewegen können. Damit wird die Flucht aus Griechenland mithilfe von Schleppern aber auch einfacher. Derzeit werden mehr als 15.000 Migranten auf den Inseln festgehalten. Sie wären laut Medienberichten von dem neuen Urteil aber nicht betroffen und müssten in den Lagern auf einen Entscheid ihrer Asylanträge warten. Es ist absehbar, dass dies zu Revolten führt. Im Vergleich zum April des Vorjahres sind 30 Prozent mehr Flüchtlinge aus der Türkei in Griechenland angekommen. Sehr viel mehr Migranten werden an der Landesgrenze entlang des Evros-Flusses aufgegriffen.

Die EU-Kommission verlangt von den Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan in den jüngsten Fortschrittsberichten "Rückführungsmechanismen", also ein Prozedere zur Feststellung der Identität und Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern. Gleichzeitig erwartet die Kommission, dass die Balkanstaaten nicht "zu großzügig" Visa für Personen aus Drittstaaten vergeben und die Kontroll- und Verifizierungsverfahren verbessert werden.

Rechtlich wäre es möglich, dass die EU-Grenzmission Frontex in Nicht-EU-Staaten aktiv wird. Dazu bedarf es aber eines Abkommens. In Bosnien-Herzegowina werden EU-Experten zum Flughafen in Sarajevo und nach Zupci an der Grenze zwischen Montenegro und der Herzegowina entsandt. (Markus Bernath aus Athen, Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 19.4.2018)