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Mit einem Meer von Fahnen feiert Israel 70 Jahre Unabhängigkeit.

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Am Donnerstag begann zudem eine landesweite Flugshow.

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Yael Medini erlebte 1948 die Gründung Israels mit.

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Die Erinnerung an das historische Ereignis, das auch ihr Leben prägte, hat sich Yael Medini eingerahmt und ins Wohnzimmer gehängt: Das Schwarz-Weiß-Foto zeigt Männer und wenige Frauen auf Sesseln im Publikum sitzend, rechts sind eine Flagge mit einem Davidstern und der Teil eines Tisches zu erkennen. An diesem Tisch trat am Nachmittag des 14. Mai 1948 David Ben-Gurion vor die Mikrofone und verkündete Israels Unabhängigkeit – der jüdische Staat war geboren.

"Und hier, diese beiden", Yael zeigt mit einem Zahnstocher auf die Köpfe von zwei Frauen, die etwas versteckt in den hinteren Reihen sitzen und in Richtung Kamera schauen, "das eine ist meine Tante, und diese Stirn hier, das bin ich." Yael Medini, heute 87 Jahre alt, lauschte als Kind im damaligen Kunstmuseum auf dem Rothschild-Boulevard in Tel Aviv den Worten Ben-Gurions.

Es war der 5. Ijjar im Jahr 5708 des jüdischen Kalenders, der in diesem Jahr auf den 19. April fällt. Und so feiert das Land am Donnerstag seinen 70. Geburtstag, das kleine Wunder, dass das jüdische Volk nach knapp 2.000 Jahren in der Diaspora, nach Verfolgung, Diskriminierung und dem Holocaust einen eigenen, souveränen Staat bekam und diesen trotz aller Anfeindungen in der Nachbarschaft aufbaute. Einen Staat, der sich bis heute im Nahen Osten behauptet, auch wenn er seine Grenzen noch immer nicht endgültig definiert hat und noch immer nach einer Lösung für das Zusammenleben mit den Palästinensern sucht.

DER STANDARD nutzt die Zeit zwischen den beiden "Geburtstagen" Israels – also zwischen 19. April und 14. Mai –, um sich in einer Artikelserie eingehender der Geschichte, der Kultur, der Politik und der Zukunft des Staates zu widmen.

Die Flugshows, das Grillen im Park und am Strand, auf den Balkonen und im Garten, das Meer von Fahnen an Autos und Balkonen – all das sagt Yael Medini nicht zu, so habe sie Jom Haatzma'ut, den Unabhängigkeitstag, nie gefeiert, erzählt sie. Sie treffe sich stattdessen mit Freunden von früher. Sie erinnert sich: "Zusammen mit meinem Vater flog ich damals, ein paar Tage zuvor, von New York zurück nach Israel."

Tochter Mosche Scharets

Yael Medini, eine kleine, zierliche, aber noch immer sehr flotte Frau mit weißen Haaren, Brille, in Jeans und einem gemusterten T-Shirt, sitzt am Tisch in der Küche ihres Hauses in einer ruhigen Nachbarschaft in Ramat Gan, einem Vorort von Tel Aviv. Medinis Vater war Mosche Scharet, der Mann, der bis vor kurzem noch auf dem 20-Schekel-Schein abgebildet war, der erste Außenminister des Landes und zwischendurch auch einmal Premierminister. Er war einer der Staatsgründer, der an jenem 14. Mai am Tisch neben Ben-Gurion saß. Und er war es, der die Vereinten Nationen in New York zuvor überzeugte, den Teilungsplan anzuerkennen, was am 29. November 1947 geschah. Damit war der Weg für die Staatsgründung geebnet.

"Meine Mutter und mein jüngerer Bruder blieben erst einmal in New York, und wir kamen am 11. Mai in Tel Aviv an. Ich ging zu meiner Tante und Großmutter, die damals am Rothschild-Boulevard wohnten." Yael Medini war 17 Jahre alt, die politische Stimmung habe sie nicht erfasst: "Für mich war es selbstverständlich, dass wir einen Staat brauchen und auch einen bekommen würden", erzählt sie. Die junge Frau hatte damals ganz andere Gedanken. Seit dem UN-Teilungsplan gab es Kämpfe zwischen Juden und Palästinensern, ihre Freunde waren längst in der Palmach, einer paramilitärischen Organisation. Und so erschien auch Yael kurz nach der Ankunft im Rekrutierungsbüro. Ob der Dienst Pflicht gewesen ist, weiß sie nicht mehr. "Es war für mich klar, dass ich diene, so oder so."

Historisches Ereignis mit Folgen

Am Tag vor der Unabhängigkeitserklärung rekrutierte Vater Mosche Scharet sie aber zunächst als Schreiberin: "Er diktierte mir seinen Vorschlag für den Text der Erklärung", erinnert sie sich. Aus den verschiedenen eingereichten Versionen bastelte Ben-Gurion dann seinen Text zusammen, den er später vorlas. Eine Kopie des Textes, den sie selbst geschrieben hat, hängt heute ebenfalls in ihrem Wohnzimmer.

Am 14. Mai um 15.30 Uhr ließ Medinis Vater einen Chauffeur mit dem Auto vor dem Haus seiner Schwester vorfahren, der diese und Yael abholte, um zur Zeremonie zu fahren. "Das wären ja nur wenige Minuten zu Fuß gewesen, auf der anderen Straßenseite." Die Ereignisse an diesem Tag haben sie damals nicht sonderlich angesprochen, erzählt Yael Medini, obwohl sie gespürt habe, dass die Aufregung um sie herum groß war. "Ich habe nicht verstanden, wie wichtig das war. Am meisten habe ich mich gefreut, die Eltern von Freunden aus Jerusalem dort im Saal zu sehen", sagt sie und lacht. "Was mich dann doch berührt hat, war der Segen des Rabbiners." Obwohl Yael Medini bis heute nicht religiös ist.

Nur kurze Zeit verging, bis die USA und die Sowjetunion als Erste diesen Staat diplomatisch anerkannten. Nur ein paar Stunden dauerte es auch, bis die Nachbarstaaten Israel angriffen. Es kam zum ersten arabisch-israelischen Krieg, der bis 1949 dauerte. Ein Jahr lang schrubbte Yael in dieser Zeit Pfannen, Töpfe und anderes Geschirr in den Feldküchen verschiedener Lager. Und erst nach und nach, in den darauffolgenden Jahren, wird sie verstehen, welchem historischen Ereignis sie damals beigewohnt hat. (Lissy Kaufmann aus Ramat Gan, 19.4.2018)