Die Regierung Kirgisistans stürzte am Donnerstag über ein Misstrauensvotum im Parlament und wurde anschließend von Präsident Soroonbaj Scheenbekow abberufen. Hinter der politischen Krise steckt ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten und seinem Vorgänger.

Foto: APA/AFP/JOHN THYS

Bischkek/Moskau – In der zentralasiatischen GUS-Republik Kirgisistan ist eine politische Krise ausgebrochen: Die Regierung stürzte am Donnerstag über ein Misstrauensvotum im Parlament und wurde anschließend von Präsident Soroonbaj Scheenbekow abberufen.

Am Ende sprachen 101 der 120 Abgeordneten Premierminister Sapar Isakow und seinem Kabinett das Misstrauen aus. Der Versuch von Parlamentschef Dastan Dschumabekow, die Abstimmung zu verhindern, scheiterte, da die Initiative von einem Drittel der Abgeordneten eingebracht wurde und Diskussionen damit nicht mehr auf die Ausschussebene verlagert werden konnten.

Es ist das erste Mal in Kirgisistan und Zentralasien überhaupt, dass eine Regierung durch ein Misstrauensvotum des Parlaments zu Fall kommt. Dabei war die Regierung erst seit vergangenem August im Amt. "Grund waren die vielen Fehler des Ministerkabinetts, vor allem bei der Umsetzung wichtiger Projekte, worauf die parlamentarische Opposition mehrfach hingewiesen hatte", sagte der Abgeordnete Ishak Massalijew von der Oppositionspartei Progress.

Machtkampf zwischen Atambajew und Scheenbekow

Der russische Zentralasienexperte Arkadi Dubnow verortet den Konflikt auf einer höheren Ebene und spricht von einem Machtkampf zwischen dem amtierenden Präsidenten und seinem Vorgänger Almasbek Atambajew. Eigentlich galten Atambajew und Scheenbekow als Tandem. Der 61-jährige Atambajew hatte seinem drei Jahre jüngeren Nachfolger erst im vergangenen Herbst zum Wahlsieg verholfen. Doch Atambajew hat seine Rolle in der kirgisischen Politik überschätzt, er wollte auch nach seinem Rücktritt der politische Übervater Kirgisistans bleiben, eine Art Deng Xiaoping", sagte Dubnow dem STANDARD.

Der Konflikt ging so weit, dass Scheenbekow, als er über Korruption in den Rechtsorganen klagte, von seinem Vorgänger nicht nur kritisiert, sondern brüskiert wurde. Da habe jemand Scheenbekow wohl die falsche Rede in die Hand gedrückt, lästerte Atambajew. Ein Affront, den der Präsident nicht auf sich sitzen ließ. Schon zuletzt wurden zahlreiche Gefolgsleute Atambajews von wichtigen Posten entfernt. Da auch Premier Isakow sich in dem Machtkampf auf der Seite des alten Präsidenten positionierte, musste er nun gehen.

Zersplitterte Sozialdemokraten

Atambajews Sozialdemokratische Partei Kirgisistans hat sich derweil in dem Konflikt gespalten. Mehr als ein Dutzend Abgeordnete sagten sich vom Ex-Präsidenten los. Ein Grund, der zur überraschend deutlichen Abwahl der Regierung führte. Laut Dubnow sind vorgezogene Parlamentswahlen nicht ausgeschlossen. Allerdings werde Scheenbekow wohl zunächst versuchen, eine neue stabile Mehrheit im bestehenden Parlament zu bilden, vermutet der Experte.

Außenpolitisch wird sich allerdings wohl wenig ändern. Sowohl Atambajew als auch Scheenbekow gelten als prorussisch orientiert. Für Bischkek ist ein gutes Verhältnis zu Moskau vor allem aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen wichtig. Hunderttausende Kirgisen sind als Gastarbeiter in Russland tätig. Ihre Zahlungen an die Familie in der Heimat machen einen nicht unbedeutenden Anteil am kirgisischen Bruttosozialprodukt aus. (André Ballin, 19.4.2018)