Straßburg – Das EU-Parlament drängt auf Umsetzung des europaweiten Opferschutzes. Das Instrument existiere zwar formal seit 2011, doch seien seitdem nur sieben europäische Schutzanordnungen erlassen worden, sagte EU-Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska am Donnerstag. Im gleichen Zeitraum wurden hingegen für mehr als 100.000 Personen, vor allem Frauen und Kinder, nationale Schutzanordnungen ausgestellt.

Bienkowska konzedierte im Europaparlament in Straßburg, dass bisher nur ein Teil der Schutzanordnungen wirklich umgesetzt worden sei. Sie teile die Sorge des EU-Parlaments. Es gehe darum, dass Sensibilisierungsmaßnahmen stärker greifen müssten. "Das Bewusstsein von nationalen Experten muss geschärft werden", sagte sie. Die Opfer seien über die verfügbaren Schutzanordnungen besser zu informieren. "Sieben europäische Schutzanordnungen ist natürlich eine viel zu niedrige Zahl", so Bienkowska.

"Schändliche Situation"

EuropaparlamentarierInnen verwiesen darauf, dass bei einer funktionierenden Regelung Zehntausende Menschenleben gerettet werden könnten. Eine von drei Frauen habe körperliche oder sexuelle Gewalt erleben müssen. Ab dem 15. Lebensjahr werde jede zweite Frau Opfer von sexueller Belästigung. Dass bisher nur sieben europäische Schutzanordnungen erlassen wurden, sei frustrierend.

Der Kommission wurde vorgeworfen, bisher nichts für eine Verbesserung der Situation unternommen zu haben, sagte Berichterstatterin Soray Post. Diese "schändliche Situation muss jetzt ein Ende nehmen". Notwendig sei auch ein Zentralregister.

Der EVP-Abgeordnete Jaromir Stetina kritisierte, dass der Opferschutz heute nur schwach funktioniere. Eine Frau könne eine innerstaatliche Schutzanordnung beantragen, die den Mann daran hindere, die gemeinsame Wohnung zu betreten. Aber dieses Wegweiserecht funktioniere nicht mehr, wenn die Frau das Land verlasse. "Da ist sie vor Gewalttätern nicht genügend geschützt", sagte Stetina.

Die SPE-Mandatarin Anna Hedh ortet ein wachsendes Problem in diesem Bereich in der gesamten EU. Dies sei schädlich für die gesamte Gesellschaft. Daher sei es notwendig, dass die europäische Schutzanordnung künftig funktioniere.

Ursachen häuslicher Gewalt

Branislav Skripek von den Konservativen verwies darauf, dass ein Drittel bis die Hälfte aller Fälle häuslicher Gewalt tatsächlich angezeigt werde. Doch werde eine Schutzanordnung allein das Problem nicht lösen, es gehe darum, die Ursachen häuslicher Gewalt zu beseitigen.

Die liberale EU-Abgeordnete Nathalie Griesbeck forderte mehr Schulungen der nationalen Behörden. Außerdem kritisierte sie bei der europäischen Schutzanordnung eine unzureichende Kooperation der EU-Staaten.

Ernest Urtasun von den Grünen sieht das Instrument der Schutzanordnung zwar als großartig an, doch das große Problem sei die Implementierung. Außerdem fehlten Daten – "wir wissen nicht, wie die Staaten die Anordnung umsetzen. Mobbing ist eine Straftat in einem Land, aber in einem anderen nicht. Auch dadurch verliert die europäische Schutzanordnung an Kraft". (APA, 19.4.2018)