Perugia/Wien – Fünf erfolgreiche Journalistinnen erzählen von ihrem ganz persönlichen Weg in den Journalismus, sie geben Ratschläge für junge, angehende Journalistinnen und erläutern die Hürden für weibliche Journalistinnen ins Mediengeschäft.

Unter dem Leitgedanken #UsToo, angelehnt an die #metoo-Debatte der vergangenen Monate, wollen die Journalistinnen und Journalisten des internationalen Journalismusfestivals in Perugia zur kritischen Reflektion der eigenen Branche anregen.


"Lass dir von niemandem Steine in den Weg legen"

Cassandra Vinograd: "Man muss einfach Gas geben aber wenn man weiß was man will und hart arbeitet, wird sich die harte Arbeit in jedem Fall auszahlen."
Foto: Alexandra Dornauer

Cassandra Vinograd ist Auslandskorrespondentin und Fotojournalistin. Für ihre Berichterstattung über die Terrorattacken in Brüssel erhielt sie 2016 den Preis der Society of Professional Journalism.

STANDARD: Wie verlief dein Weg zum Journalismus?

Vinograd: Ich wusste immer, dass ich Journalistin werden will, auch wenn das komisch klingt. Und mir war schon immer klar, dass ich im Ausland arbeiten will. Mir haben dann immer viele Leute gesagt, dass ich klein anfangen soll und erst nach zehn Jahren vielleicht mal ins Ausland gehen kann. Ich war dafür einfach zu ungeduldig und wollte einen Weg finden, schneller an mein Ziel zu kommen. Und ich habe es geschafft. Man muss einfach Gas geben, aber wenn man weiß, was man will und hart arbeitet, wird sich die harte Arbeit in jedem Fall auszahlen.

STANDARD: Welchen Rat würdest Du jungen Journalistinnen geben?

Vinograd: Arbeite hart und lass dir von niemandem Steine in den Weg legen. Sprich es an, wenn es ein Problem gibt. Und wenn du dich nicht traust, kontaktiere Leute aus dem Netzwerk. Mit Netzwerk meine ich die vielen talentierten, erfolgreichen Journalistinnen, die es gibt.


"Jede Möglichkeiten zum Schreiben nutzen"

Jean Lee: "Mein großes Glück ist es, dass ich mich auf ein Thema, Nordkorea, fokussieren kann, was nicht vielen meiner Kolleginnen und Kollegen möglich ist."
Foto: Johanna Hirzberger

Jean Lee arbeitet für die die Nachrichten- und Presseagentur Associated Press AP. Sie ist die einzige US-amerikanische Auslandskorrespondentin in Nordkorea und lebt und arbeitet dort seit 2011.

STANDARD: Wie verlief dein Weg zum Journalismus?

Lee: Mein Großvater ist schon Journalist gewesen und bereits als Kind wusste ich, dass ich den gleichen Weg einschlagen will. Ich habe es geliebt, Geschichten zu erzählen und war immer neugierig die Welt kennenzulernen. Ich habe Literatur und Ostasiatische Studien studiert und habe dann Vollzeit bei einer Studentenzeitung gearbeitet. Dort habe ich viele Erfahrungen sammeln können. Danach habe ich, so wie viele andere, einige Praktika absolviert. Eines davon war bei einer englischsprachigen Zeitung in Südkorea. Sie boten mir einen Job an, nachdem ich die Uni abgeschlossen hatte. Nach zwei Jahren bin ich in die USA zurückgekehrt, um auf eine Journalistenschule zu gehen und wurde anschließend von AP rekrutiert. Ich habe einen sehr traditionellen Weg verfolgt. Mein großes Glück ist es, dass ich mich auf ein Thema, Nordkorea, fokussieren kann, was nicht vielen meiner Kolleginnen und Kollegen möglich ist.

STANDARD: Welchen Rat würdest Du jungen Journalistinnen geben?

Lee: Ich habe drei praktische Tipps: Journalistinnen, die Auslandskorrespondentinnen werden wollen, sollten so viele Sprachen wie nur möglich lernen. Außerdem sagen ich meinen Studierenden immer, dass sie viel lesen sollen. In unserer heutigen, mit Nachrichten überfluteten Ära findet man hierfür leider nur selten die Zeit. Außerdem sollte man jede Möglichkeiten zum Schreiben nutzen, egal auf welcher Plattform. Zum Einsteigen bietet sich Instagram hervorragend an, dort kann man in seinem Feed viele kurze Blogposts veröffentlichen, so viele man möchte. Es hilft einem außerdem auch sich zu fokussieren.


"Wollte wissen, wie die Welt funktioniert"

Rebecca Rayner: "Ich habe dann bei allen möglichen nationalen Zeitungen und Magazinen in Großbritannien angeklopft, bis endlich ein Magazin einen Text von mir veröffentlicht und mir eine Stelle als freie Journalistin angeboten hat."
Foto: Alexandra Dornauer

Rebecca Rayner hat Musikjournalismus studiert. Nach einem Auslandsaufenthalt in Kenia hat sie begonnen für die Lokalzeitung Andover Adviser in Großbritannien zu schreiben.

STANDARD: Wie verlief dein Weg zum Journalismus?

Rayner: Ich wusste schon immer, dass ich Journalistin werden will. Als Kind habe ich im Urlaub immer so getan, als wäre ich Reporterin für einen Radiosender. Ich wollte immer die Welt verstehen und wissen, wie sie funktioniert. Ich liebe es Geschichten zu erzählen, mit 14 hatte ich meine eigene Radiosendung und habe Musikjournalismus studiert und habe zu der Zeit dann versucht, so viel wie möglich zu schreiben. Ich habe dann bei allen möglichen nationalen Zeitungen und Magazinen in Großbritannien angeklopft, bis endlich ein Magazin einen Text von mir veröffentlicht und mir eine Stelle als freie Journalistin angeboten hat. Während meines Auslandsaufenthalts in Kenia habe ich viel über meine Erlebnisse dort geschrieben. Das hat mir gezeigt, dass ich eine Art "straighten" Journalismus mittlerweile noch spannender finde als Musikjournalismus und ich hoffe eines Tages auch Auslandskorrespondentin zu werden.

STANDARD: Welche Probleme und Hürden siehst du für den Journalismus heute?

Rayner: Ein Problem des Journalismus ist die Finanzierung. Es wird immer mehr eingespart, die Teams werden kleiner. Der Journalismus verändert sich. Es ist wichtig, auf dem neuesten Stand zu bleiben und sich die neuen Technologien anzueignen, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.


"Voraussetzungen für Frauen und Männer in diesem Beruf gleich"

Tanit Koch: "Ich habe diverse Praktika gemacht und habe mich dann für ein Volontariat bei 'Bild' beworben, weil ich gehört hatte, dass man da am besten das Handwerk lernt."
Foto: APA/dpa/Michael Kappeler

Tanit Koch war bis Februar 2018 Chefredakteurin der "Bild Zeitung". Vorher war sie bereits leitende Redakteurin bei der "Welt"-Gruppe und "Bild" Hamburg. Außerdem ist sie Vorstandsmitglied der Deutschlandstiftung Integration.

STANDARD: Wie verlief Dein Weg zum Journalismus?

Koch: So weit ich mich erinnern kann, wollte ich schon immer Journalistin werden. Ich habe diverse Praktika gemacht und habe mich dann für ein Volontariat bei "Bild" beworben, weil ich gehört hatte, dass man da am besten das Handwerk lernt. Ich glaube eben, dass Journalismus auch viel Handwerk ist. Und es ist einfach auf Grund der Vielfältigkeit, der Tatsache, dass es keine technische Routine gibt, einfach weiterhin ein fantastischer Job.

STANDARD: Welchen Rat würdest Du jungen Journalistinnen geben?

Koch: Ich glaube nicht, dass man da gegendert herangehen sollte. Die Voraussetzungen für Frauen und Männer in diesem Beruf sind die gleichen. Ich glaube, dass insgesamt der Druck auf Männern mehr lastet erfolgreich zu sein, also Führungsverantwortung zu haben, Titel zu haben, wichtig zu sein. Und weil dieser Druck da ist, machen das Männer und stehen da eben schon im Türrahmen beim Chef und sagen "ich will aber die nächste Beförderung", während auf Frauen kein externer Druck lastet Karriere zu machen und man sich dann eher einrichtet, wo man ist und das gilt natürlich nicht für jeden und jede. Aber nicht darauf zu warten gefragt zu werden, sondern sich selber ins Gespräch zu bringen, ist glaub ich etwas, und das gilt nicht nur für den Journalismus, was bestimmt hilft. Und je häufiger ich mit Menschen spreche, die bei Veranstaltungen Podien organisieren, desto häufiger höre ich, wie viele Frauen absagen, während Männer in der Regel nie absagen und sich auch da manchmal mehr zu trauen, schadet bestimmt nicht.


"Du bist zu nett für den Journalismus"

Hannah Rey: "Ich dachte mir 'unglaublich', all die Grenzen wurden abgebaut."
Foto: Anne Dippel

Hannah Ray ist Head of Social Strategy and Storytelling bei der "Vogue" International. Mit ihrem Team erstellt sie für insgesamt elf Länder Instagram-Story-Templates für "Vogue". Zuvor arbeitete sie im Newsroom des "Guardian".

STANDARD: Wie verlief dein Weg zum Journalismus?

Ray: Tatsächlich hat mich meine Liebe zum Tanzen in den Journalismus gebracht, als ich begonnen habe Tanz-Kritiken zu schreiben. Danach wollte ich für unsere Studenten-Zeitung arbeiten, und habe Kritiken zu schreiben begonnen, und wurde auch Kultur Redakteurin für unsere Studentenzeitung. Nach der Universität bin ich an die Journalisten Schule gegangen. Und während alle meine Kollegen und Mitarbeiter Kriegsreporter werden wollten und für Zeitungen schreiben wollten, war ich auf Twitter und dachte mir "Das ist grandios". Dann konnte ich tatsächlich mit jemandem sprechen, zu dem ich auf gesehen habe und die beim "Guardian" arbeitete, Jemima Kisch, sie war damals Reporterin für Technik und ich habe ihr einfach getweetet und sie hat mir zurück getweetet. Und ich dachte mir "unglaublich", all die Grenzen wurden abgebaut. Damals habe ich auch Erfahrungen in der journalistischen Community gesammelt und was es bedeutet und wie man sich online Communities rund um die Berichterstattung kümmert.

STANDARD: Welche Probleme und Hürden siehst du für den Journalismus heute?

Ray: Ich kann mich daran erinnern, dass ich ein Praktikum bei einer traditionellen, regionalen Zeitung in Birmingham, wo ich aufgewachsen bin, gemacht habe. Jemand der das Praktikum organisierte hat mich auf einen Kaffee eingeladen und sagte: "Du bist zu nett für den Journalismus" und ich war so wütend. So wütend, dass er fand es sei ok, mir das zu sagen und ich glaube, ich war schon immer einfach nett und ich glaube, das ist total ok. Ich glaube, als Frau sollte man den Journalismus machen, denn man machen möchte und sollte sich nicht von Männern sagen lassen, dass wir es falsch machen, auf die Art wie wir es anders machen. (Anne Dippel, Johanna Hirzberger, 20.4.2018)