Perugia/Wien – Nach dem Datenmissbrauchsskandal um Cambridge Analytica und Facebook, den US-Wahlen und Brexit ist das F-Wort (Fake News) nicht mehr wegzudenken aus dem journalistischen Alltag. Aber steht es wirklich so schlimm um das Vertrauen des Nutzer? Steckt der Journalismus tatsächlich in einer Vertrauenskrise? Fünf Medienexperten, Journalisten, Faktenchecker und Wissenschafter geben Antworten im Video-Interview.

In derselben Woche, in der Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress befragt wurde, waren auch beim diesjährigen Journalismusfestival in Perugia Desinformation und Vertrauen viel diskutiertes Thema. Etwa, dass man das F-Wort gar nicht mehr verwenden sollte, weil es instrumentalisiert werde und dämonisiert. Welche Organisationen und Initiativen, wie zum Beispiel "Wiki Tribune" oder das "Trust Project", sich zusammenschließen, um ein Faktenchecker-Netzwerk rund um den Globus zu spinnen. Oder auch, was nicht so gut funktioniert gegen Desinformation. Und: Wie kann man eigentlich das Vertrauen der User wiedergewinnen, sie in die Verantwortung nehmen, miteinbeziehen und transparenter arbeiten?

Die Nutzer einbeziehen

  • User Generated Content zum Beispiel ist ein Konzept, bei dem man von Nutzern bereitgestellte Informationen über ein gewisses Thema verifiziert und verwendet, um Berichterstattung mehrdimensionaler zu gestalten.
  • Crowd Sourcing ist ein ähnliches Prinzip, hier geben User den Journalisten Feedback und Informationen zu einem Thema, welche dann überprüft werden.
  • Open Source Journalismus auf Plattformen wie Wiki Tribune hält einfache Checklisten für Journalisten bereit, um gut recherchierte, korrekt verlinkte, hochwertige Nachrichten zu produzieren. Die Liste beinhaltet simple Punkte wie: Wer hat die Story mit welchen Quellen gemacht, und wie kann das belegt werden; Je nachvollziehbarer, desto besser, so Peter Bale von Wiki Tribune.
  • Medienwissen: Auch entsteht ein neues Projekt namens Media Wise von Google und der Non-Profit-Organisation Poynter, um Jugendlichen "news literacy" beizubringen- also wie man kritisch Nachrichten liest und lernt, Falschinformationen zu erkennen.

Facebook für Checks zahlen lassen

Ein wichtiger Faktor ist jedoch auch, wie informiert und technisch geschult verantwortliche Behörden sind. Zuckerberg konnte in zu anfangs erwähnter Befragung durch die Senatoren an so mancher Frage nahezu vorbeischlüpfen, wie durch ein Datenleck. Auch hatte er ihnen unter anderem das Geschäftsprinzip von Facebook zu erklären.

Eine positive Entwicklung ist laut Alexios Mantzarlis, Leiter des International Fact Checking Networks, dass die Plattform mit Faktenchecker-Organisationen in momentan sieben Ländern zusammenarbeitet und viel Geld dafür zahlt. "Facebook hat die Daten noch zu veröffentlichen, und was sie daraus gelernt haben. Es ist wahrscheinlich das größte Experiment im Kampf gegen Desinformation bisher. Wir müssen wissen, wie das läuft, um besser zu werden."

Auf der anderen Seite sei Facebook oftmals die einzige Möglichkeit für Factchecker, ihre Erkenntnisse zu veröffentlichen- gerade in Ländern, wo ihnen kein Zugang zu Medien gewährt wird.

Fünf internationale Medienexperten und Medienexpertinnen über Userinnen, User und ihr Vertrauen.
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Fehlendes Know-How und ineffiziente Schritte

Mantzarlis plädiert auch für Transparenz innerhalb von politischen Institutionen; viele Statistiken würden nur unvollständig oder gar nicht veröffentlicht.

Er ist außerdem der Ansicht, dass es weder eine gute Idee ist, eine Abteilung der Polizei mit Faktenchecking zu betrauen, wie es in Italien entschieden wurde, noch EU-Initiativen diesbezüglich zu starten ; zu polarisierend und politisch könnte die Zukunft des Fact Checking aussehen, das in professionellen Händen bleiben sollte.

Mantzarlis erwähnt auch ineffektive Vorgehensweisen beim Thema Factchecking: Eine vor kurzem im "Science"-Magazin veröffentlichte Studie über Twitter besagt: "Falsehoods win on Twitter". Man verglich 126.000 Stories aus über zehn Jahren, die geprüft wurden auf "fact checked als wahr" oder "fact checked als falsch". Das Problem für Mantzarlis: Nicht jede wahre Inhalt könne überprüft und damit als "wahr" ausgewiesen werden. Das erwecke einen irreführenden Eindruck und falsche Schlüsse. Aber auch daraus kann man lernen, sagt Mantzarlis.

Die Gefahr der Geschwindigkeit

Indira Lakshamanan vom Poynter Institute glaubt übrigens, dass sich das Vertrauen in die Medienwelt in den USA nicht erst mit Trump gewandelt hat, sondern bereits seit der Reagan-Regierung in den 80ern. Damals wurde die für Rundfunk und Kommunikation gültige "Fairness-Doktrin" schrittweise dereguliert und 1987 schließlich komplett abgeschafft. Sie besagte, dass Berichterstattung über relevante Themen möglichst objektiv, fair und transparent vollzogen werden musste.

Lakshmanan sieht heutzutage im journalistischen Wettkampf um möglichst schnelle Berichterstattung die erhöhte Gefahr der unabsichtlichen Fehlinformation. Wenn Fehler passieren, dürfe die Nachricht nicht einfach gelöscht werden, sondern Verantwortung übernommen werden.

Die Frage, wie man emotionales Interesse an propagandanaher Desinformation behandelt, wird noch untersucht. Es gibt eben noch keine "golden solution", keine perfekte Lösung. So transparent und professionell wie möglich zu arbeiten, sei immer noch der beste Weg, den Unterschied zwischen falsch und wahr deutlich zu machen. (Isabella Dussmann, Luca Scheiring, 22.4.2018)