Experten im Einsatz in Salisbury.

Foto: APA/AFP/Stanstall

Salisbury – Knapp eineinhalb Monate Wochen nach der Nervengiftattacke gegen den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal und dessen Tochter Julia wollen Wissenschafter die Existenz hochgefährlicher Giftreste in der südenglischen Stadt Salisbury nicht ausschließen.

Bei einem Treffen von Behördenvertretern mit Bürgern der Stadt am Donnerstag im Zuge der bevorstehenden Dekontaminierung meinte Ian Boyd, wissenschaftlicher Berater der Umweltbehörde, es sei möglich, dass bisher unbekannte "Hotspots" mit hohen, gefährlichen Konzentrationen des Nervengifts Nowitschok in der Stadt existieren.

Innerhalb der nächsten Monate sollen alle Orte in der Stadt, an denen Spuren des Nervengifts gefunden wurden, dekontaminiert werden, berichtete die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA). Der Wert dieser Arbeiten wurde auf mehrere Millionen Pfund geschätzt. Bisher sind neun Orte bekannt, an denen Nowitschok nachgewiesen wurde, unter anderem am Eingang zu Skripals Haus. Auch das Polizeihauptquartier soll chemisch gereinigt werden.

Neue Theorie aus Russland

Der russische Botschafter in London, Alexander Jakowenko, hält es für möglich, dass der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia nachträglich per Spritze vergiftet wurden. Andernfalls hätte das Nervengift nicht mehr wochenlang später im Körper der beiden Opfer in hoher Reinheit nachgewiesen werden können, begründete der Diplomat die Behauptung bei einer Pressekonferenz am Freitag in London.

Auch die rasche Identifizierung des Kampfstoffes hätte nicht gelingen können, ohne dass die Briten selbst im Besitz eines vergleichbaren Stoffs gewesen wären. Das zumindest scheint nicht unmöglich. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" ist in den USA, in Großbritannien, den Niederlanden und in mindestens einem weiteren westlichen Staat an Nowitschok geforscht worden. Allerdings nur, um Gegenmittel zu entwickeln.

Russland habe beantragt, Julia Skripal medizinisch untersuchen zu dürfen, aber noch keine Antwort darauf erhalten, sagte Jakowenko. Angesichts der anhaltenden Weigerung der Briten, russischen Behörden Zugang zu den Skripals zu gewähren, gebe es Anlass, von der "Entführung zweier russischer Staatsbürger" auszugehen. Julia Skripals schriftliche Weigerung, mit den russischen Behörden in Kontakt zu treten, erkenne er nicht an, sagte der Botschafter.

Anschuldigungen erneuert

Großbritannien hält Moskau für den Angriff auf Skripal vom 4. März für verantwortlich und hat zuletzt die Anschuldigungen gegen Russland erneuert. "Wir glauben, dass nur Russland die technischen Mittel, Erfahrungen und ein Motiv hat, die Skripals anzugreifen", erklärte der britische Botschafter Peter Wilson am Mittwoch in Den Haag vor dem Exekutivrat der Organisation für ein Verbot der Chemiewaffen (OPCW). Moskau weist alle Vorwürfe vehement zurück. (APA, 20.4.2018)