Verhindert ein Stück Tuch wirklich ein normales Leben hier?

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Ich gehöre zu einer Generation, die gekommen ist, um zu studieren und zu arbeiten. Wir waren Gaststudenten und Gastarbeiter, sozusagen der "Kindergarten" der Integration. Manche versuchten uns zu assimilieren. Damals gab es das Thema Integration nur ansatzweise, aber wir alle stecken immer noch in den Kinderschuhen. Viele von uns konnten aufgrund der miserablen politischen und wirtschaftlichen Zustände nicht in unsere Länder zurückkehren, und wir sind geblieben. Ich frage mich nun, ob meine Familie integriert ist, zumal sowohl meine Frau als auch meine Töchter und meine Schwiegertochter ein Kopftuch tragen.

Dialog ist entscheidend

Verhindert ein Stück Tuch wirklich ein normales Leben hier? Wenn jemand damit Probleme hat, dann muss er sich selbst fragen, warum. Die Bundesregierung soll ihm diese Entscheidung nicht abnehmen, indem sie dies im Kindergarten und in der Grundschule verbietet. Sie hätte viele wichtigere Dinge zu erledigen.

Ich möchte nicht bestreiten, dass es ab und zu Familien gibt, in denen die Kinder schon sehr früh dazu angehalten werden. Doch das ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme, und hier müssen wir durch Dialog mit den betroffenen Muslimen Missverständnisse und Unklarheiten beseitigen. Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist keine reale Vertretung aller Muslime.

Deutsch lernen

Zudem finde ich, dass das größte Ziel und das wichtigste Unterfangen eigentlich das Erlernen der deutschen Sprache ist. Wenn ein Ausländer die deutsche Sprache richtig beherrscht, kann er sich selbst um alles kümmern, und er kann über sich selbst sprechen, sich mitteilen. Meine Generation hat es nicht geschafft, die deutsche Sprache zu beherrschen, es waren eher nur wenige, und dies hat viele daran gehindert, etwas Vernünftiges zu lernen, eine gute Arbeit zu finden, eine Lehre abzuschließen. Ebenso haben deshalb viele begonnen, sich ein falsches Bild von dieser Gesellschaft zu machen, weil sie nicht kommunizieren konnten. Und es wurde der zweiten Generation weitergegeben. Ich schlage vor, dass sich jede Gemeinde um diesen Punkt kümmern sollte, der wesentlich ist, wenn man von Integration spricht.

Katastrophen und Kriege

Tatsache ist, dass die nächste Flüchtlingswelle kommen wird, weil die Ausbeutung der armen Länder andauert, die Weltbank ihre Politik weiter praktiziert, in unseren Ländern große Arbeitslosigkeit herrscht, Umweltzerstörung, Katastrophen und Kriege, und weil der Westen die Diktatoren dort unterstützt, Waffen herstellt, mit ihnen handelt, indem er Krisenherde schafft.

Es gibt zwei Punkte, die bei der Debatte zu beachten sind: Erstens, die Welt ist kunterbunt, daran kann man gar nichts mehr ändern, man kann sich nicht abschotten und auswählen. Zweitens, wenn der Westen, Wirtschaft und Weltbank, endlich aufhört, über Leichen zu gehen, und unseren Ländern echte Unterstützung zukommen lässt, wenn wir teilen, wenn Frieden herrscht und keine politische Verfolgung, Mord und Totschlag, wenn Arbeit geschaffen wird, dann werden sicher die meisten Flüchtlinge liebend gern wieder in ihre Heimatländer zurückgehen, und eine Debatte über das Kopftuch wird hinfällig.

Natürlich ist dies ein Wunschgedanke. Die Realität ist noch anders. Trotzdem ist alles möglich, wenn der Mensch will. Und nebenbei bemerkt: Es ist wichtig, was jemand im Kopf hat und nicht auf dem Kopf. (Aly El Ghoubashy, 20.4.2018)