Karl May zählt zu den verkannten, verdrängten, vergessenen Größen unserer Tage. Ein Schicksal, das er mit Titanen wie Schiller, Goethe, Kant, den Brüdern Humboldt, mit – ach hören wir auf damit – teilt. Nun kann es passieren, dass der patente Sachse einen irreführt. Man wähnt sich versetzt in den Band Durch die Wüste, in die Sahara, ins Wilde Kurdistan oder die Schluchten des Balkan – wo man doch in Omanistan weilt.

Sandspielen mit dem Amarok.
Foto: Volkswagen

Ins Land von Weihrauch und Myrrhe, an Arabiens kargen Südosten, hat es uns verschlagen, weil VW zeigen wollte, wie man mit dem Amarok in dessen typischstem Habitat unterwegs ist, im unwegsamen Abseits. Lachsfischen im benachbarten Jemen ging grad nicht, das Krisenland überziehen die Saudis mit Krieg. Dafür hörte ich mir am zweiten Tag im Wadi Bani Khalid, diesem H2O-Paradies mitten im Trockenen, eine zerebral gespeicherte Version des Forellenquintetts an, Introphonie mit Anne-Sophie Mutter und Daniil Trifonov am Piano. Ein bisschen fühlte ich mich angesichts Karin Angerers, der bezaubernden VW-Pressechefin beim Importeur Porsche Austria, forschenden Blicks ertappt. Aber für den Schubert Franzl muss man sich ja nicht genieren. Und übrigens: Der Aufforderung nach angemessener Badekleidung kam eine junge Japanerin im transparenten Badeanzug nach. Die Omänner drückten ein Auge zu (das andere hielten sie offen), schließlich ist das hier Toyota-Land: Keine andere Automarke ist auch nur annähernd so präsent im Straßen- und G'stättenbild wie diese.

Das Badeparadies Wadi Bani Khalid.
Foto: Volkswagen

Oman also und Amarok Adventure Tour. Wer weiß, wie lange es noch Tourismus gibt hier: Drei Viertel der Einwohner sind muslimische Ibaditen, was den wahhabitischen Saudis schon lange ein Dorn im Auge ist, und wenn der heute 78-jährige Sultan Qabus ibn Said einmal nicht mehr ist, rechnet man mit dem Schlimmsten. Schon werden hektisch überall neue Kasernen errichtet.

Erst einmal weist Andreas Gottwald von VW die Partie in das Programm ein.
Foto: Volkswagen

Die Tour führte zunächst auf Asphalt gen Südost, zum Fins Beach. Von dort über die 2000, 3000 Meter aufragenden Berge, dann quer durch die Sandwüste, fast bis runter zur Insel Masira (das Zenobia der Römer) und weiter westlich zurück nach Muskat. Fels, Geröll, Sand, alles Erscheinungsformen derselben Kargheit namens Wüste. Und die wächst, nimmt man das als innere Menschheitsbefindlichkeit, laut Nietzsche.

Damit man den Sand zum Schweben bringt, muss erst aus den Reifen Luft raus.
Foto: Volkswagen

Im realen Sand zeigte sich, dass große Klappe nicht zwangsläufig korreliert mit großem Können. Der Kollege von der Londoner Sun, er prahlte gern ein wenig. Und wer blieb als Erster stecken? Mr. Sun. Wer als Letzter? Mr. Sun. Wer dazwischen immer wieder? Erraten ... Wie konnten die bloß jemals ein Weltreich erobern? Na gut, das war halt hauptsächlich per Schiff.

Die Dromedare blieben unbeeindruckt.
Foto: Andreas Stockinger

Zum Amarok selbst. Der ist ein wenig ein Opfer des eigenen Erfolgs: Laut VWN-Produktkommunikator Andreas Gottwald war mit Ende Jänner bereits die gesamte 2018er-Jahresproduktion für Europa verkauft – bei 28.800 Amaroks liegt die maximale Kapazität in Hannover. Für den Rest der Welt ist das argentinische Werk zuständig, von dort werden die größten Amarok-Märkte Brasilien und Argentinien (je ca. 20.000 Stück) bespielt. 78.900 verkaufte Amaroks rockten im Vorjahr die Welt, nicht übel, aber weit entfernt von den Kapazitäten der Konkurrenz aus Japan und von Ford.

Wüstensand am Auto. Das kennen wir ja.
Foto: Volkswagen

In Österreich war der Amarok jahrelang Marktführer, erst 2017 zog der neue Ford Ranger vorbei – heuer liegt der VW-Pick-up aber schon wieder in Front. Im Herbst kommt zu den bisherigen 3,0-V6-TDIs mit 163, 204 und 224 PS noch einer mit 258 PS und ZF-8-Gang-Wandlerautomatik hinzu. Eine geradezu souveräne Kombination, wie sich auf der Tour zeigte.

Der Amarok liegt in der Verkaufsstatisik vorne.
Foto: Andreas Stockinger

Der Pick-up löst, wie es scheint, gerade langsam den klassischen Geländewagen ab, den mit Leiterrahmenkonstruktion, Untersetzung und diversen Differenzialsperren. Es sind echte Multitalente, die mit dir durch dick und dünn gehen. Zum Beispiel vom Fins Beach die nackerten Berge hoch. In der Ferne entdecken wir ein silbriges Band, das sich zum Bergrücken hochschlängelt.

Bei dem brutalen Gelände passt man besser immer doppelt auf.
Foto: Volkswagen

Was denn, da geht's rauf? Führer Falko, Berliner Original und gesegnet mit deren sprichwörtlicher Schnauze, grinst, wie nur ein Bewohner des märkischen Sandflachlands angesichts echter Berge grinsen kann. Nun sollte man wissen, dass der gemeine Omani sich nicht groß mit Steigung oder Gefälle abgibt und zur Entschärfung jede Menge Serpentinen baut, nein, rauf heißt rauf, runter runter – maximal wird eine Ausrollpiste eingebaut, wenn sich der Schwung einmal nicht mehr bremsen lassen sollte. Solche Gesteige und -fälle würden selbst Tiroler Straßenbaumeistern Respekt abverlangen.

Abends zelten in den Bergen.
Foto: Volkswagen

Geschüttelt, gerührt und verstaubt kommen wir nach dem Lokalaugenschein der 180 m tiefen Kaverne Majlis al-Jinn – Stratosphärenspringer Felix Baumgartner hat sich hier angeblich schon versenkt – am Nachtlager an, Salma Plateau, 1700 m. Erst Besichtigung der 3500 Jahre alten Rundturm-Tumben, dann, nach dem Zeltbau, ab zum liebevoll zubereiteten, im Schneidersitz eingenommenen Mahl, wir stimmen die Weise Es gibt kein Bier auf Hawaii an. Didi schnarcht den Schlaf der Bärentöter, gottlob steht sein Zelt weit weg. Am nächsten Tag lassen wir die Berge hinter uns, das Wadi Bani Khalid wurde bereits erwähnt; abends, noch vor Bezug des "1000 Night Camps", geht's in den Sand, zum Dünenfiasko – außer Wagen 8 mit dem geländegängigen Tiroler Walter und meiner Wenigkeit bleiben alle stecken; lag auch daran, dass es wenig ratsam ist, zehn Autos auf einmal loszuschicken.

Wo stecken die anderen denn?
Foto: Andreas Stockinger

Dafür dürfen wir am dritten Tag weit weg von "Tausendundkeiner Nacht" auf dem Idiotenhügel spielen und die Wüste, den Sand, zum Schweben ringen. Wer als Letzter stecken bleibt, wissen Sie ja. "Here comes the sun." Und fröhlich röchelt der Schnorchel-Luftfilter, wird Zeit, dass ihn wer leert.

Bleibt noch zu vermerken, dass der Amarok seine Schuldigkeit getan hat. Dass die Omanis gar gastfreundlich sind. Dass wir keine Muskatnuss probiert haben. Und dass vor dem Hotel in Muskat kein Amarok, stand, sondern ein Porsche 918 Spyder. (Andeeas Stockinger, 10.5.2018)