Es ist besser, ein Auto langsam zu laden. Aber es ist praktischer es schnell zu laden.

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Die Frage lautet: Wie viel Strom verträgt mein Auto?

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Das Laden von Elektroautos wird gerne und oft auf den Aspekt rekordverdächtiger Ladeleistungen reduziert, zumal der Mensch es ja seit über hundert Jahren gewohnt ist, mit seinem Auto die nächste Tankstelle anzufahren und dort die Energie in Minutenschnelle nachzufassen. Überträgt man dieses Szenario auf das Elektroauto, so ergeben sich eben Stromstärken und Spannungen in schwindelerregender Höhe. Das passt zu unserer Welt der atemlosen Rekorde und Superlative, verfehlt aber die gelebte Wirklichkeit komplett. Die Darstellung vieler Experten ist dabei sehr oft weit stärker von dahinterstehenden möglichen Geschäftsmodellen und vorgeschobenen Marketingstrategie getrieben als von chemischen und physikalischen Fakten.

So werden Träume ventiliert, die dann erst von der Realität eingelöst werden müssen. Einerseits ist ein Schnellladenetz mit 350 Kilowatt Ladeleistung unter beträchtlichem Einsatz öffentlicher Gelder bereits im Aufbau, andererseits hapert es schon daran, so manches der derzeit angebotenen Elektroautos überhaupt in vernünftiger Zeit privat zu laden.

Langsam laden, Batterie schonen

Neunzig Prozent der Ladevorgänge von Elektroautos erfolgen langsam zu Hause oder am Arbeitsplatz. Das schont die Batterien und reicht auch im Zuge einer üblichen Nutzung des Elektroautos in den meisten Fällen vollkommen aus. Trotzdem besitzen fast alle Elektroautos die Möglichkeit, an öffentlichen Ladesäulen mit 50 Kilowatt Leistung und mehr Gleichstrom zu laden. Das geht relativ schnell. Damit ist ein VW Golf in einer Dreiviertelstunde zu 80 Prozent vollgeladen. Das ist technisch auch gar nicht so schwierig, denn hier wird die Energie des Gleichstroms sozusagen von der Ladestation, in der die ganze Ladetechnik steckt, in die Batterien des Autos hinübergeschoben. Das kann nun mit etwas mehr oder weniger Leistung erfolgen, je größer die Batterien im Auto, umso größere Ladeleistungen können auch realisiert werden. Allzu oft sollte man diesen Gewaltakt des Ladens allerdings nicht vollziehen, weil er die Batterien stresst.

Besser ist es, ein Auto langsam zu laden, da es vereinfacht gesagt seine Zeit braucht, den Strom für die Zellchemie schonend und gleichmäßig über hunderte Batteriezellen zu verteilen. Aber genau hier lauern auch die alltäglichen Schwierigkeiten. Seit sich dank Nikola Tesla (1856-1943) das Wechselstromnetz weltweit durchgesetzt hat, ist es notwendig, den Netzstrom in Gleichstrom umzuwandeln, bevor er in den Batterien gespeichert werden kann. Und das geschieht an Bord des Fahrzeugs, dafür muss die passende Technik eingebaut sein. Und dort scheiden sich die Geister.

Das dreiphasige Drehstromnetz in großen Teilen Europas würde es grundsätzlich erlauben, ein Elektroauto mit einer Leistung von bis zu 22 Kilowatt bei 400 Volt Spannung zu laden. Allein, die meisten Elektroautos sind nur imstande, Wechselstrom einphasig aufzunehmen, das heißt 230 Volt. Als maximale Ladeleistung wird sodann gerne 7,4 Kilowatt angegeben. Das ist das technische Maximum für das Ladegerät im Auto und entspricht einer Stromstärke von 32 Ampere. In Österreich sind aber Wallboxen für einphasigen Anschluss nur mit maximal 20 Ampere vorgesehen, um bei einphasigem Betrieb einer sogenannten Schieflast vorzubeugen, das entspricht höchstens 4,6 Kilowatt.

Prospekt und Realität

Das heißt, das Laden eines Elektroautos in Basisausstattung dauert oftmals deutlich länger als in Prospekten der Autohersteller angegeben. Und es ist mitunter nicht ganz egal, ob ein Auto in acht Stunden geladen werden kann, oder ob eine Vollladung zwölf Stunden erfordert. Dreiphasiges Drehstromladen mit elf oder 22 kW wird von den Autoherstellern oft gar nicht oder nur gegen einen empfindlichen Aufpreis angeboten.

Andersrum ist auch die Herstellung eines Drehstromladeanschlusses mit elf oder gar 22 kW mitunter von der Hauselektrik her deutlich teurer und aufwendiger. Die entscheidende Frage ist dann: Warum sollte man daheim eine leistungsfähige Ladestation errichten, wenn das Auto ohnehin nicht in der Lage ist, diese zu nützen?

Der Erfolg des batterieelektrisch angetriebenen Automobils ist wohl nicht nur von der kühnen Marketingstrategie der Auto- und Stromhändler und von der Ergiebigkeit der Steuergießkanne abhängig, sondern auch davon, ob Netzbetreiber und Autohersteller willens sind, auf die Bedürfnisse der Kundschaft einzugehen, damit man auch größere Fahrzeugbatterien in überschaubarem Zeitraum daheim laden kann. (Rudolf Skarics, 26.4.2018)