Wojciech Czaja, "Hektopolis. Ein Reiseführer in hundert Städte". € 20,00 / 220 Seiten. Edition Korrespondenzen, Wien 2018

Cover: Edition Korrespondenzen

Beginnen wir einfach mit jenen Städten, die man selbst bereist hat. Oder beginnen wir an dieser Stelle sogar mit jener Stadt, in der man selbst zur Welt gekommen ist. Das Erstaunliche an diesem kurzweiligen Städtepanoptikum ist, dass der Architekturkritiker und langjährige STANDARD-Autor Wojciech Czaja einem immer etwas Neues zu erzählen weiß, und das, obwohl sich der vielreisende Städteliebhaber oftmals auch – auf den ersten Blick – auf gängige Beobachtungen stürzt.

Über Linz zum Beispiel, meine Geburtsstadt, in der ich selbst seit Jahrzehnten manchmal vom Bahnhof bis zum Hauptplatz mit der Straßenbahn fahre, obwohl ich seit Jahrzehnten nicht mehr da lebe. Wer in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Straßenbahn fährt, muss zwangsläufig den, nennen wir sie: originellen Haltestellenbeschreibungen aus dem Lautsprecher lauschen. Seit der Lektüre von Hektopolis weiß ich jetzt zum Beispiel, wem diese Stimme gehört.

Hektische Metropolen

Aber natürlich hat der Autor auch viel originellere und viel hektischere kleine und große Metropolen zu bieten als Linz an der Donau. Genau genommen 99 weitere. Das Konzept von Czaja ist so simpel wie bestechend – und lädt zum Schmökern ein. Jede Stadt, ob Megacitys wie Tokio oder Schanghai oder Å am Ende von Norwegen und damit eigentlich auch am Ende der Welt mit bloß 100 Einwohnern, wurde eingangs mit kleinen Koordinaten versehen: nämlich der Einwohnerzahl, der Dauer des Aufenthalts des Autors und dem Staat, in dem die von Czaja besuchte Stadt liegt.

Jede Geschichte, jeder Städtetext ist wiederum auf eine Kurzform von zwei Buchseiten beschränkt. So lassen sich wiederum ganz schnelle und ganz unterschiedliche Städtetrips durch Czajas Kompendium machen. Von österreichischen Kleinstädten, in denen man selbst noch nie war, bis in asiatische Metropolen, die man selbst schon besucht hat. Hektopolis ist aber, obwohl es auf dem Buchcover draufsteht, kein Reiseführer, sondern eine sehr individuelle Geschichtensammlung, die Lust macht auf die Welt und auch Lust macht, die eigenen Erfahrungen mit denen eines über die Jahrzehnte Weitgereisten abzugleichen.

Lackierter Ford Taunus

Pittoreskes und Überraschendes verknüpft der Autor auf insgesamt über 200 Seiten mit vielen Fakten und Details. Eine der schönsten Geschichten, die Czaja für seine Leser und Weltinteressierten bereithält, steht vielleicht schon im Vorwort, in dem der Autor erklärt, woher seine Reiselust sehr wahrscheinlich kommt. In einem in Polen lackierten Ford Taunus durfte Czaja als Kind auf der Rückbank seine Eltern nach Lust und Laune über die Straßen dirigieren. Links, rechts, geradeaus weiter. Und die drei landeten von Wien aus zum Beispiel bei der Wotruba-Kirche, in Zwettl oder auch in Linz oder Zell am See. Noch keine Städtemetropolen, schon klar, aber immerhin ein Anfang. (Mia Eidlhuber, 21.4.2018)