Chinas Projekte treiben die Verschuldung afrikanischer Staaten nach oben. Auch Industrien kämpfen um ihr Überleben. So bringen Billigimporte aus China die afrikanische Textilwirtschaft in Bedrängnis.

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Längst ist das Feuerwerk zur Eröffnung der Bahnstrecke zwischen der kenianischen Hauptstadt Nairobi und der Hafenstadt Mombasa verglüht – die Schuldenlast des von China verwirklichten Megaprojekts wird den ostafrikanischen Staat noch jahrzehntelang drücken. Fast vier Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro) hat die 450 Kilometer lange Strecke Kenia gekostet. Seine Auslandsverschuldung schwoll deshalb auf 24 Milliarden Dollar an.

Zwar ist Kenias Schuldenlast mit einem Drittel des Bruttoinlandprodukts (BIP) im internationalen Vergleich noch moderat. Doch für Afrika zählen andere Maßstäbe, weil die Entwicklungsstaaten viel weniger Steuereinnahmen haben und unter stark schwankenden Rohstoffpreisen leiden. Kenias Beleihungsquote ist auch im afrikanischen Vergleich noch relativ harmlos: Das benachbarte Tansania steht mit mehr als 60 Prozent des BIP in der Kreide, dessen Nachbarstaat Mosambik sogar mit fast 300 Prozent.

Gefahr einer Schuldenkrise wächst

Generell ist die Schuldenlast afrikanischer Staaten in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen – um jährlich bis zu 25 Prozent, wie der britische Ableger der Kampagne Jubilee, die sich für eine Streichung von Schulden einsetzt, berichtet. Die Schuldenlast habe inzwischen den höchsten Stand seit 2005 erreicht. Mit 28 Nationen befinden sich laut Jubilee mehr als die Hälfte der Staaten des Kontinents bereits in oder in unmittelbarer Gefahr einer Schuldenkrise. Erinnerungen an die 1980er- und 1990er-Jahre werden hier wach.

Damals hatte sich fast der gesamte Kontinent heillos überschuldet. So gut wie alle Staaten waren vom internationalen Geldmarkt abgeschnitten. Erst nach einer langen internationalen Kampagne erließen die Industriestaaten 2005 den hochverschuldeten Ländern, 30 davon in Afrika, die Schulden. Danach ging es mit den meisten wirtschaftlich bergauf.

Dass sich der Trend nun wieder umkehrt, schreiben westliche Politiker vor allem dem explodierten Afrika-Engagement Chinas zu. Die gigantischen Investitionen, die China vor allem in die Infrastruktur des Kontinents pumpte, wirken sich für die aufstrebenden Entwicklungsstaaten immer belastender aus. Tatsächlich müssen afrikanische Empfängerstaaten einen Großteil der chinesischen Bruderhilfe zurückzahlen, was ihnen wegen der inzwischen wieder purzelnden Rohstoffpreise zunehmend schwerfällt. Vor seiner ersten und letzten Afrika-Reise suchte Ex-US-Außenminister Rex Tillerson aus diesem Umstand Kapital zu schlagen: Die Regierungen des Kontinents sollten beim Annehmen chinesischer Hilfe vorsichtig sein, empfahl er: "Damit sie nicht ihre Souveränität verpfänden."

Was Tillerson verschwieg: Der wesentlich größere Teil der Schulden fällt nicht etwa in Peking an, sondern bei privaten westlichen Anlegern. Nach der Weltwirtschaftskrise 2008 pumpten die Finanzmärkte in den Industrienationen immer höhere Summen in den Süden. Ausreichend billiges Geld löste einen Run auf lukrative Kredite für Entwicklungsstaaten aus. Afrikas Regierungen kam das Interesse der Anleger mehrheitlich gelegen: Sie konnten sich an dem Geldsegen bedienen.

Geld versickert

So verschwanden etwa in Ghana 1,8 Milliarden Dollar, die für die Steigerung der Kakaoproduktion gedacht waren. In Mosambik fädelte Credit Suisse mit der russischen VTB-Bank einen Kredit über zwei Milliarden Dollar ein, der der Fischindustrie zugutekommen sollte. In Wahrheit schaffte es kein Dollar bis zu den Kuttern. Das Geld verschwand in den Taschen einer korrupten Elite. Weder das mosambikanische Parlament noch die Finanzmärkte wussten von dem Kredit.

Zur Vermeidung einer neuen Schuldenkrise müsse das geheime Einverständnis westlicher Kreditgeber und afrikanischer Regierungen beendet werden, fordern afrikanische Zivilorganisationen. Die Banken sollten sicherstellen, dass die Öffentlichkeit von den Krediten weiß. Außerdem müssten die westlichen Anleger das den schwankenden Rohstoffpreisen zuzuschreibende Risiko teilen. Was durch eine Koppelung des Kreditwerts an die Rohstoffpreise sichergestellt werden könnte.

Bisher hat die Finanzwelt der Industrienationen auf solche Forderungen nicht reagiert. Lieber schlägt man auf die Chinesen ein, die für Afrikas Schuldenfalle alleine verantwortlich sein sollen. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 23.4.2018)