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Es ist nicht das erste Stelldichein der Staatenlenker: Emmanuel Macron (rechts) lud Donald Trump (links) bereits im Juli 2017 zum französischen Nationalfeiertag nach Paris ein.

Foto: AP / Matthieu Alexandre

Emmanuel Macron darf mit großem Bahnhof rechnen: Der französische Präsident wird auf seinem dreitägigen Staatsbesuch in den USA ab Montag gleich mehrere Male mit seinem Amtskollegen Donald Trump Gespräche führen; er wird zusammen mit Gattin Brigitte und den Trumps in Mount Vernon, dem Landsitz von Ex-Präsident George Washington, privat dinieren; er wird den Militärfriedhof von Arlington besuchen, im Weißen Haus Hauptgast eines Galadinners sein und vor dem US-Kongress sprechen.

Eigentlich seltsam. Trump und Macron könnten nicht unterschiedlicher sein. Hier der hemdsärmelige, steinreiche und populistische Immobilienmagnat, spät zur Politik gekommen und Grund zur Scham für viele seiner Landsleute. Dort der elegante, gutbürgerliche und frühberufene Eliteschulabsolvent, Mitte-Politiker mit supranationalen Neigungen.

Und doch rollt der 71-jährige Polterer dem 40-jährigen Charmeur als erstem Staatsgast überhaupt den roten Teppich aus. Macron sei ein "great guy", hatte Trump schon voriges Jahr erklärt. Zuvor hatte ihm der Franzose beim virilen Handshake vor den Kameras die Hand so lange und hart geschüttelt, bis der Amerikaner nachgab. Damit hatte sich Macron Trumps Respekt gesichert. Am französischen Nationalfeiertag, dem Quatorze Juillet, eroberte er vergangenes Jahr auch sein Herz, als er ihn zur Truppenparade auf den Champs-Élysées einlud.

Umschwärmter "Supertyp"

Kein Zweifel, der Franzose hat es dem Amerikaner angetan. Macron sei "ein Supertyp, intelligent und stark", findet der Mann im Weißen Haus. Der französische Präsident, der seit seiner Zeit als Investmentbanker bestens Englisch spricht, nimmt den ungehobelten Amtskollegen aus Amerika sehr amerikanisch – schulterklopfend und mit leicht übertriebener Herzlichkeit. "Ich bin immer sehr direkt und offen zu ihm. Manchmal überzeuge ich ihn, manchmal nicht", erklärte er beim Weltwirtschaftsforum in Davos zu einer Frage nach dem Klimaabkommen, das der US-Präsident zuvor aufgekündigt hatte.

Bei allen Unterschieden haben die Präsidenten einiges gemeinsam. Beide haben etwas Unkonventionelles und lieben es, festgefügte Normen zu brechen. Beide neigen zur Selbstverliebtheit, obschon dies Macron geschickter verdeckt als Trump. Beide suchen die politische Konfrontation – vielleicht, weil sich beide dem Gegner überlegen fühlen.

Historische Verbundenheit

Und beide schätzen es, jenseits des Atlantiks einen Verbündeten zu haben. Élysée-Berater betonen, dass Frankreich und die USA nie Krieg gegeneinander geführt hätten; vielmehr habe General La Fayette den Amerikanern gegen die britische Kolonialmacht zur Unabhängigkeit verholfen; dafür hätten die USA Frankreich von Nazideutschland befreit. Diese historischen Bande werden nun in Washington sicherlich gebührend zelebriert werden.

Das Auffällige an all dem: Langsam laufen die Franzosen den Briten in Washington den Rang ab. Mit Theresa May verbindet Trump ein viel kühleres Verhältnis als mit Macron. Bloß: Ist Macron für Trump mehr als der "Pudel", den der britische Ex-Premier Tony Blair im Irakkrieg laut bösen Zungen für den damaligen US-Präsidenten George W. Bush spielte? Der Unterschied liegt darin, dass Macron nicht auf Trump angewiesen ist. Frankreich kann sich, wie schon Charles de Gaulle vormachte und Jacques Chirac in ebendem Irakkrieg bestätigte, durchaus unabhängig und blockfrei zeigen.

Gemeinsamer Einsatz

Macron hatte vor dem jüngsten Militärschlag in Syrien zudem mehrfach angekündigt, Frankreich würde im Fall eines Chemiewaffeneinsatzes eingreifen, und redete bei drei Telefonaten auf Trump ein mitzumachen. Der ließ sich überzeugen, sei es von Macron oder seinen Generälen. 2013 hatte der französische Ex-Präsident François Hollande das syrische Regime nach einem ersten Gasangriff ebenfalls abstrafen wollen; Barack Obama brach die Vorbereitungen aber im letzten Moment ab und ließ Hollande kläglich im Regen stehen.

Nein, Macron ist kein Mitläufer, und er weiß sich bei Trump Gehör zu verschaffen. Trotzdem werfen ihm in Paris einzelne Stimmen vor, er folge zu blind dem US-Kurs, der mit dem Luftschlag gegen Damaskus vorab den Iran ins Visier genommen habe. Macron antwortet, ihm sei es bisher gelungen, Trump von der Aufkündigung des Atomabkommens mit Teheran abzuhalten. Auch habe er erreicht, dass die USA in Syrien engagiert blieben.

Mehr Kosten für Europa

Französische Selbstüberschätzung ist das nur beschränkt. Macron vermag Trump durchaus Konzessionen abzuringen. Denn er hat etwas zu bieten. Franzosen und Amerikaner sind sich etwa einig, dass Europa einen größeren Anteil an der sicherheitspolitischen und damit militärischen Lastenteilung übernehmen sollte.

Staunen weckt vielenorts, dass Macron an der Seine nur selten kritisiert wird, wenn er unverblümt auf Trump setzt. Nicht, dass der US-Präsident in Frankreich beliebter wäre als anderswo in Europa. Macron hat es aber seit seiner Wahl verstanden, Paris als diplomatischen Player ins Mächtespiel einzubringen. Frankreich hat das Gefühl, dass es wieder "wer ist". Und das zählt für die Franzosen – Trump hin oder her. (Stefan Brändle aus Paris, 23.4.2018)