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"Das Internet kann unter keinen Umständen zur Plattform für die Verbreitung schädlicher Nachrichten und Gerüchte werden", sagt Chinas Präsident Xi Jinping.

Foto: Naohiko Hatta/Pool via REUTERS

Chinas Präsident Xi Jinping will Chinas Internetszene und den gesamten Cyberspace schärfer kontrollieren, nur wenige Tage nachdem er dem Ausland auf der Boao-Konferenz in Hainan versprochen hat, sein Land weiter zu reformieren und zu öffnen. Doch nach innen gelten andere Regeln. Xi verlangt mehr gesellschaftliche Überwachung, Sozialkontrolle und Selbstzensur der Netzprovider. Sie sollen dafür sorgen, dass das Internet "unter keinen Umständen zur Plattform für die Verbreitung schädlicher Nachrichten und Gerüchte werden kann", verlangte er auf einer zweitägigen Konferenz zur Cybersicherheit in Peking. "Ohne sicheres Internet gibt es keine Sicherheit im Staat, keine Stabilität in der Wirtschaft und Gesellschaft und keine Garantien zum Schutz der Interessen der großen Volksmassen."

Die Sonntagszeitungen druckten auf ihrer Titelseite die Xinhua-Zusammenfassung von Xis Grundsatzrede ab: "Internetmedien sollen positive Informationen verbreiten, an der korrekten politischen Richtung festhalten und die öffentliche Meinung und ihre Wertvorstellungen in die richtige Richtung lenken." Das alles habe unter der verstärkten Führung der Partei zu geschehen.

Schwierigkeiten mit Zensur

Hintergrund sind wachsende Probleme der KP mit modernen Webseiten und Apps, die ein zweistelliges Millionenpublikum bei der jungen Generation finden und sich nicht gleichschalten lassen. Anfang April ließ Chinas Zensur demonstrativ vier Nachrichten-, Livestreaming- und Joke-Apps wie Toutiao, Phönix und Neihan Duanzi abschalten. In mitternächtlichen Autokorsos demonstrierten junge Fahrer mit Hupkonzerten gegen den Willkürakt. Die spontan über Smartphones verabredete Demo schockierte Peking.

Ende 2017 waren in China rund 770 Millionen Bürger online registriert, mehr als jeder zweite Chinese. Zahlenmäßig sind sie die größte, aber auch die am stärksten zensurierte Internetgemeinde der Welt. Pekings ausgetüftelte Blockaden ("Great Firewall") versperren ihnen nicht nur den Zugang zu tausenden kritischen Webseiten, sondern auch zu ausländischen Suchmaschinen wie Google und sozialen Medien wie Facebook und Twitter.

Seit 2016 hat Peking mit 18 Gesetzen versucht, das Netz wasserdicht zu kontrollieren, darunter auch mit dem umstrittenen Gesetz zur Cybersicherheit, das die Regulierung des Internets zu einer Frage der nationalen Sicherheit machte. Peking brüstet sich, das Internet in den vergangenen zwei Jahren gesäubert und unter die Kontrolle der Partei gebracht zu haben. Weitere neue Gesetze zum Internet, die nun erstmals auch den Schutz des Einzelnen im Auge haben, sind schon in Arbeit, meldete am Samstag das Parteiblatt "Global Times" auf seiner Webseite.

Weltweites Interesse

Sie reichen nicht. Xi will seine Kontrolle nicht nur innerhalb Chinas Grenzen ausüben – er will weltweit mitmischen. Schon in den vergangenen Jahren hat er sich gegen das globale Verständnis eines grenzenlosen Internets ausgesprochen und gefordert, das Internet dem Souveränitätsprinzip zu unterwerfen. Danach soll jedes Land gemäß seinen Sicherheitsinteressen das Netz regulieren und kontrollieren – andere Staaten sollen darauf Rücksicht nehmen müssen. "Wir wollen uns aktiv in den Prozess zur internationalen Regulierung des Cyberraums einbringen", hieß es auf der Pekinger Konferenz. Das soll im Rahmen der Vereinten Nationen geschehen unter Teilnahme von Regierungen, internationalen Organisationen, Internetunternehmen bis bin zu einzelnen Bürgern. Xi glaubt, seine Vorschläge der Masse der Entwicklungsländer schmackhaft machen zu können.

Peking spricht vom "besonderen chinesischen Weg zur Regulierung des Internets". Damit meint Xi, trotz des von ihm geforderten rigiden politischen Kontrollregimes nach innen, China zur "starken Internetmacht" aufbauen zu können. Er muss es auch tun, wenn das Land 2025 über den versprochenen mittleren Wohlstand verfügen soll und sich 2050 den "großen Traum der Wiederauferstehung" als Weltmacht verwirklichen will. Der Parteichef nennt das Internet die "neue Produktivkraft", auf die Peking setzt, in Verbindung mit der Entwicklung von "Big Data, künstlicher Intelligenz, der Realwirtschaft und der Digitalisierung aller Wirtschaftsbereiche".

Streit um Unternehmen ZTE

Peking will daher in den technischen Ausbau des IT-Bereichs investieren und politische Weichen stellen, um Forschung und industrielle Entwicklung für ein digitales und smartes China zu fördern. Xis Äußerungen dazu kommen vor dem Hintergrund des neuen Technologiestreits zwischen Peking und Washington. Er entzündete sich am Fall des chinesischen Telekomriesen ZTE, der bei der Herstellung seiner Smartphones und IT-Anwendungen von US-Hightech-Zulieferungen abhängig ist.

ZTE hatte einst mit heimlichen Iran-Geschäften Sanktionen gebrochen und jüngst erneut dagegen verstoßen. Es wurde von Washington gerade mit einem siebenjährigen Bann belegt, in dem es keine Hightech-Importe aus den USA beziehen darf. Das um sein Überleben kämpfende Unternehmen hat eine hitzige innerchinesische Debatte ausgelöst, vor allem wegen einer schockierenden Erkenntnis: Chinas IT- und Digitalisierungswirtschaft ist nur erfolgreich, wo es um Anwendung und Umsetzung geht. In der Kerntechnologie besonders bei Chips ist sie in hohem Ausmaß von Importen aus den USA und anderen Ländern abhängig. Chinas digitale Revolution steht plötzlich auf tönernen Füßen. (Johnny Erling aus Peking, 23.4.2018)