Es war kein schöner Sonntag für Andrea Nahles. Da wird sie in der fast 155-jährigen Geschichte der SPD zur ersten Vorsitzenden gewählt, holt also auf und nach, was die CDU schon seit dem Jahr 2000 mit Angela Merkel vormacht – und dann dieses Ergebnis.

Nur 66 Prozent erhielt Nahles, ihre Konkurrentin Simone Lange, die Flensburger Oberbürgermeisterin, schnitt überraschend stark ab, was sich so erklären lässt: Nicht alle in der Partei mögen Nahles. Und viele sind mit dem Kurs, den sie vertritt, unzufrieden. Denn dieser lautet: Ja zur großen Koalition, Nein zu einer Abwicklung der Sozialreformen von Exkanzler Gerhard Schröder.

Lange haftete natürlich der Reiz des Underdogs an, der sich aufmacht, das Parteiestablishment aufzumischen. Das hat sie getan und dabei den Finger in eine tiefe Wunde der SPD gelegt – als sie immer wieder erwähnte, wie viele Menschen im reichen Deutschland arm sind.

Nahles wird als neue Chefin nicht darum herumkommen, sich mit dem zu beschäftigen, was Lange fordert. Zu groß ist der Frust immer noch in der Partei.

Aber vielleicht ist das 66-Prozent-Ergebnis nach dem ersten Schock gar nicht so schlecht. Martin Schulz bekam vor einem Jahr 100 Prozent Zustimmung, doch die SPD stürzte tief, weil sich viele einfach und bequem in seinem Glanz sonnten. Das kann Nahles nicht passieren. Ihr Ergebnis zeigt: Es müssen alle an der Erneuerung mitarbeiten. (Birgit Baumann, 22.4.2018)